Kleine Impulse, große Wirkung
Nachhaltigkeit umfasst neben Klimaschutz auch Aspekte wieBildung und faire Ein- und Aufstiegschancen. Mit wenig Aufwand können kleine Unternehmen viel bewirken – und von ihrem Engagement profitieren.
Sportkurse, Technik-Workshops, Bewerbungstraining, Berufsorientierung: Die Schule am Hafen in Dortmund tut viel, um junge Menschen in ihrer persönlichen Entwicklung zu fördern und gut vorbereitet ins Leben zu entlassen. Dabei gilt die öffentliche Hauptschule als sogenannte Brennpunktschule. Viele der rund 500 Schülerinnen und Schüler kommen aus sozial schwachen Haushalten, oftmals mit Fluchtgeschichte oder Hartz-IV-Hintergrund. Nicht unbedingt das einfachste Umfeld für gute Schule – und Anlass für das Dortmunder Unternehmen Dokom21, sich für bessere Chancen zu engagieren. Bereits zum dritten Mal begleitet der Telekommunikationsanbieter einen kompletten Jahrgang als Schulpate mit regelmäßigen Aktionen, Geld- und Sachspenden von der fünften Klasse bis zum Schulabschluss.
Unter dem Motto „schlau & fit“ möchte der Mittelständler soziale Verantwortung nicht nur für rund 100 Teenager, sondern die ganze Region übernehmen. „Wir wollen den Wirtschaftsstandort stärken und dazu beitragen, ihn weiter zukunftsfähig zu machen“, sagt Markus Isenburg, Marketingleiter bei Dokom21 und zuständig für das soziale Engagement. Das Unternehmen mit 170 Mitarbeitern baut gerade das regionale Glasfasernetz auf und betreibt eines der größten und modernsten Rechenzentren im Ruhrgebiet. Über schlechte PISA-Ergebnisse, fehlende MINT-Fachkräfte, unbesetzte Lehrstellen oder immer mehr junge Menschen ohne Schul- und Berufsabschluss zu jammern, helfe nicht weiter, findet Isenburg. Von Investitionen in gut ausgebildete und gesunde Nachwuchskräfte würden dagegen alle profitieren: „Wir möchten nicht nur zuschauen, sondern aktiv etwas verändern“, sagt er über Dokom21.Eine Einstellung, die laut einer Umfrage der Bertelsmann Stiftung viele Unternehmen teilen: Rund 60 Prozent finden es demnach wichtig, über ihre Rolle als Arbeitgeber, Produzent oder Dienstleister hinaus etwas für die Gesellschaft zu tun. Neben dem Wunsch, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten, sind nicht zuletzt die Attraktivität als Arbeitgeber, die Bindung von Mitarbeitenrn oder der Ruf des Unternehmens häufig genannte Motive für das Engagement.
ESG-Strategie mit Lücken
Auf dem Weg zu einer umfassenden Nachhaltigkeitsstrategie stehen allerdings insbesondere KMU oft noch ganz am Anfang. Das zeigt eine aktuelle Erhebung von ECC Köln und Creditreform: „Zwar haben viele B2B-Unternehmen bereits langfristige Nachhaltigkeitsziele und es gibt vermehrt Teams, die sich damit beschäftigen, dennoch offenbaren sich Lücken“, sagt Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH Köln und Gründer des ECC Köln. Im Fokus der strategischen Umsetzung stünden aktuell vor allem ESG-Maßnahmen aus dem Bereich E wie Environment (englisch für Umwelt), beispielsweise Energiesparmaßnahmen oder Recycling. Bei den Kriterien S wie Soziales und G wie Governance (englisch für Unternehmensführung) gäbe es dagegen noch viel Luft nach oben.
Während große Industrieunternehmen mit der Dekarbonisierung alle Hände voll zu tun haben, lohnt gerade für mittelständische Dienstleister ein Blick auf soziale Nachhaltigkeitsaspekte, denn das ökologische Verbesserungspotenzial rund um die Beschaffung von Büromaterial oder den Energieverbrauch ihrer IT haben viele schnell ausgeschöpft. Bei Kennzahlen und Zielgrößen zu Personalentwicklung, Inklusion, Diversity oder Aufstiegs- und Beschäftigungschancen ergeben sich dagegen gerade in kleinen Betrieben mit wenigen Beschäftigten oft deutlich größere Hebel. So engagiert sich Dokom21 beispielsweise nicht nur als Schulpate, sondern geht auch bei Themen wie Weiterbildung oder der Beschäftigung von Schwerbehinderten mit gutem Beispiel voran. Mit einer Schwerbehindertenquote von über 11 Prozent liegt das Unternehmen deutlich über dem gesetzlich geforderten Mindestwert von fünf Prozent.
Nachhaltigkeit beginnt mit Bildung
Auch Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen im eigenen Betrieb sind ein wichtiger Ansatzpunkt, um ohne starre Quote mehr soziale Nachhaltigkeit zu erreichen. Programme, die Menschen mit Handicaps oder Geflüchteten den Einstieg oder die Rückkehr ins Berufsleben ebnen, zahlen beispielsweise auf Inklusion und Diversity ein, ebenso wie Workshops, um die Belegschaft oder das HR-Team für versteckte Vorurteile und mehr Fairness zu sensibilisieren. Um mehr Frauen für technische Berufe zu gewinnen oder den Anteil weiblicher Führungskräfte zu steigern, bieten sich Initiativen wie „Girls Days“, Mentoring-Programme, Seminare oder Networking-Veranstaltungen exklusiv für weibliche Beschäftigte an. Anti-Stress-Kurse, Rückenschulungen, E-Learning-Angebote oder Budgets zur individuellen Weiterbildung tragen dazu bei, die Gesundheit und Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter zu erhalten.
Auch externe Bildungsengagements tragen dazu bei, die Bildungschancen für alle zu erhöhen, soziale Ungleichheit zu verringern – und dem Fachkräftemangel auf nachhaltige Weise zu begegnen. Dazu zählt die Schulpatenschaft von Dokom21 genauso wie Stipendien für Hochbegabte oder für Benachteiligte, die Ausstattung von Schulen oder Vereinen mit digitalen Technologien oder die Unterstützung von privaten und gemeinnützigen Bildungsinitiativen für Kinder, Jugendliche oder Lehrkräfte. Auch wer in der Region über den eigenen Bedarf hinaus Nachwuchskräfte ausbildet, beweist damit soziale Verantwortung, denn vielen Kleinunternehmen fehlen dafür die Ressourcen.
Keine Frage des Budgets …
Soziales Engagement sei kein Privileg von Konzernen, sagt Markus Isenburg: „Wir sind fest davon überzeugt, dass sich jedes Unternehmen sozial engagieren kann. Auch ein kleines Engagement kann Großes bewirken“, sagt er. Wichtiger als eine möglichst hohe Spende sei es, die verfügbaren Mittel sinnvoll einzusetzen. Um herauszufinden, wo gerade der Schuh drückt, tauscht sich Dokom21 regelmäßig mit der Schule aus. Im Laufe der Jahre hat der Mittelständler je nach aktuellem Bedarf Bücher, Tastaturen, iPad-Hüllen, Gummistiefel oder Adventskalender für seine rund 100 Patenschüler gespendet. Darüber hinaus führt der Telekommunikationsdienstleister an verschiedenen Dortmunder Schulen Workshops gegen Cybermobbing durch und stattet Schulen, Seniorenheime oder kulturelle Einrichtungen mit digitalen Geräten oder kostenlosen Internetanschlüssen aus.
Die Möglichkeiten, sich sozial zu engagieren, sind äußerst vielfältig. Gelungene Beispiele liefern Wettbewerbe wie der Corporate-Social-Responsibility-Preis der Bundesregierung oder CSR-Initiativen von Kammern und Verbänden. Auch auf dem Portal „regional-engagiert.de“ finden sich Best Practices aus dem Mittelstand, darunter Dokom21 oder die Hanebutt Gruppe: Das familiengeführte Dachdeckerunternehmen engagiert sich auf vielfältige Weise. Um mehr junge Menschen für eine handwerkliche Ausbildung zu begeistern, setzt Geschäftsführer Henning Hanebutt auf informierte Lehrkräfte und bietet mehrmals pro Jahr Lehrerpraktika in der eigenen Ausbildungswerkstatt an. „Das Handwerk bietet viele Aufstiegsmöglichkeiten. Man kann seinen Meister machen oder sogar studieren. Das wissen viele Lehrerinnen und Lehrer nicht“, sagt er. Das Problem der ungelösten Unternehmensnachfolge, vor dem bundesweit Tausende von Handwerksbetrieben stehen, adressiert Hanebutt seit kurzem mit einem praxisnahen Weiterbildungsangebot für potenzielle Kandidaten und hat dafür eigens ein gemeinnütziges Institut gegründet.
… oder der Berichtspflicht
Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) hat die EU die Vorgaben zur ESG-Berichterstattung von Unternehmen deutlich verschärft. Viele KMU sind allerdings noch davon ausgenommen. Phillip Brandts von der Berliner Impact-Beratung Phineo rät dennoch allen Unternehmen, die gesellschaftliche Wirkung ihres Handelns grundsätzlich als Bestandteil der Geschäftsstrategie zu betrachten – nach dem Motto „profit for“, statt „for profit“. Dafür sprächen nicht nur ideelle Gründe, sondern auch wirtschaftliche. Wer sich für bessere Bildung, Inklusion oder Gesundheitsförderung engagiere, könne damit etwa dem Mangel an Fach- und Arbeitskräften begegnen, die Fluktuation oder den Krankenstand senken und das Arbeitgeberimage stärken – mit positiven Auswirkungen auf Personalkosten, Motivation und Produktivität. Auch bei der Kredit- oder Auftragsvergabe ergäben sich Vorteile.
Henning Hanebutt begrüßt die neue Berichtspflicht: Als GmbH mit 500 Mitarbeitern und rund 100 Millionen Euro Umsatz fällt Hanebutt unter die CSRD und muss 2026 den ersten Nachhaltigkeitsbericht vorlegen. „Grundsätzlich stehen wir dem Thema sehr positiv gegenüber und sehen darin eine große Chance, europaweit Vergleichbarkeit zu schaffen“, sagt er. Aktuell sucht er einen Auditor, der das Familienunternehmen durch den komplexen Prozess begleitet.
Dokom 21 liegt mit 170 Beschäftigten und rund 34 Millionen Euro Umsatz unter den Grenzwerten der CSRD. Über sein soziales Engagement berichtet das Unternehmen in der Tageszeitung oder im Radio, aber auch auf Facebook oder Linkedin. Auch auf der Website ist die Initiative „schlau und fit“ prominent platziert. Verbindliche Nachhaltigkeitsberichte hält Markus Isenburg zwar für ein sinnvolles Instrument, um mehr Transparenz zu schaffen. Echtes Engagement lässt sich seiner Ansicht nach jedoch nicht gesetzlich verordnen: „Wir sind der Meinung, dass soziale Maßnahmen hauptsächlich aus der eigenen Überzeugung heraus umgesetzt werden sollten, da sie nur dann mit einem hohen Engagement ausgeführt werden und den größtmöglichen Mehrwert für alle schaffen“, sagt er. Sein Engagement will der Mittelständler auch ohne CSRD-Berichtspflicht fortsetzen: „Am Ende zahlt es sich immer aus, weil man etwas Gutes tut“, sagt Isenburg.
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Kirstin von Elm
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