Milliarden für den Mittelstand
Mit fünf Milliarden Euro fördert die Bundesregierung forschende Unternehmen. Wegen der Corona-Krise wurde das Forschungszulagengesetz sogar aufgestockt. Dennoch bleibt der große Run auf das Programm bisher aus. Wie Unternehmen sich die steuerliche Förderung sichern.
Andreas Hoffknecht ist nicht zufrieden. Nur 1.200 Anträge auf eine steuerliche Begünstigung innovativer Projekte zählt der Leiter der Bescheinigungsstelle Forschungszulage (BSFZ). Immerhin: Der Trend geht nach oben. Bereits Ende 2019 verabschiedete der Bundestag das Forschungszulagengesetz (FZulG). Seitdem können Unternehmen eine steuerliche Zulage für ihre Personalausgaben in der Forschung und Entwicklung (FuE) erhalten. Mit maximal einer Million Euro pro Betrieb und Jahr fördert der Bund 25 Prozent der FuE-Personalkosten inklusive Arbeitgeberkosten für Vorsorgeleistungen. Vor allem mittelständische Betriebe sollen von der Förderung profitieren. Seit September 2020 können Anträge relativ unbürokratisch über die Homepage der BSFZ gestellt werden.
„Die Reaktion der Unternehmen, die wir erreichen, ist durchweg positiv“, sagt Hoffknecht. Die BSFZ veranstaltet derzeit zum zweiten Mal Webinare als virtuelle Roadshow – und bewirbt dabei die steuerliche Forschungszulage als Alternative zur deutlich komplexeren Projektförderung durch Länder, Bund oder EU. Zwar fallen Steuerberater als Multiplikatoren derzeit überwiegend aus. Sie seien wohl schlicht durch die vielfältigen Corona-Veränderungen überlastet, vermutet Hoffknecht. Stattdessen setzt er auf Verbände und Förderdienstleister, die ihre Mitglieder und Kunden informieren.
Projekte abgrenzen
Bisher hat die BSFZ 300 Anträge bewilligt, ein Großteil wird noch bearbeitet. Kriterien sind dabei etwa die Neuartigkeit des entwickelten Produkts oder Verfahrens, das Risiko des Scheiterns, eine systematische Planung und die Übertragbarkeit, etwa dass von einer Innovation möglichst viele Kunden profitieren. Momentan liegt die Ablehnungsquote bei etwa 15 Prozent. „Teilweise verstehen sich die Antragsteller als forschende Unternehmen, können aber nicht in Projekten denken“, so Hoffknecht. Doch genau diese Abgeschlossenheit ist entscheidend, um die FuE-Personalkosten detailliert abrechnen zu können.
Die baden-württembergischen IHKs haben inzwischen das zweite Webinar zum Thema abgehalten – mit jeweils rund 100 Teilnehmern und guter Resonanz. Wenn ausreichend Zeit bis zum Projektstart ist, rät die Stuttgarter IHK-Technologietransfermanagerin Stefanie Rau den KMU allerdings zunächst zur klassischen Projektförderung. Gegenüber der steuerlichen Forschungszulage sei zum einen die Förderquote höher und zum anderen würden nicht nur die Personalkosten berücksichtigt. Es gibt schlicht mehr Geld bei einer Bewilligung. „Die Forschungszulage ist eine weitere Option, wenn eine Projektförderung abgelehnt wurde“, sagt Rau.
Denn ein Vorteil der Forschungszulage ist, dass Anträge auch rückwirkend gestellt werden können. „Unternehmen, die im vergangenen Jahr den Personalaufwand für FuE-Projekte genau dokumentiert haben, können immer noch einen Antrag stellen und mit der Bescheinigung der BSFZ die Zulage beim Finanzamt für 2020 abrechnen“, sagt Michael Zahm, Geschäftsführer der Förderberatung Partner für Innovation und Förderung (PFIF). Auch sein Unternehmen stieß mit Webinaren zu den Möglichkeiten und der Beantragung der steuerlichen Begünstigung auf viele offene Ohren.
Wie Hoffknecht rechnet auch Zahm damit, dass die Anzahl der Anträge 2021 deutlich steigen wird. „Die Zulage verschafft Unternehmen zusätzliche Liquidität durch reduzierte Steuern oder gar eine Auszahlung aus dem Steueraufkommen“, sagt er. Das sei aufgrund des wirtschaftlichen Einbruchs durch Corona besonders interessant. Vor allem zukunftsorientierte Unternehmen investieren aktuell in innovative Projekte, um der Konkurrenz voraus zu sein, wenn die Wirtschaft wieder in Fahrt kommt. Doch Zahm gibt zu bedenken, dass der Bund momentan pro Jahr nur rund 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellen will. Dadurch könne die Ablehnungsquote steigen oder der Staat müsse die Mittel nochmals erhöhen. Für die Unternehmen ist es entscheidend, ihre Anträge strategisch und präzise zu formulieren und vor allem die Personalkosten intern korrekt zu dokumentieren.
Forschungszulage beantragen
Drei Tipps vom Fördermittelexperten Michael Zahm:
- Prägnanz geht vor Vollständigkeit
Wichtig ist, dass die Unternehmen mit der sehr kurzen Beschreibung (maximal 4.000 Zeichen) die Bewertungskriterien genau treffen. Da mehrere Anträge pro Firma möglich sind, sollten sie zunächst für die großen und wichtigen Vorhaben gestellt werden. Später können weitere Anträge nachgereicht werden, wenn die Auswahl und Bewertung der BSFZ eindeutig sind. So sichern sich Unternehmen möglichst früh den Rechtsanspruch auf die Zulage, bevor es eventuell zu einer Verschärfung der Begutachtung kommt.
- Strategische Beantragung
Es ist ratsam, ein Entwicklungsvorhaben nicht nur für das laufende Jahr zu beschreiben, sondern als langfristiges, mehrjähriges Projekt. Denn dadurch gilt die Genehmigung auch für die Folgejahre und gibt dem Unternehmen eine höhere Rechts- und Finanzsicherheit.
- Genaue Dokumentation
Unternehmen sollten die Personalkosten für Forschung und Entwicklung mitarbeiter- und projektbezogen dokumentieren und abrechnen. Viele Abrechnungsregularien sind aktuell noch nicht eindeutig. Nicht immer erfüllt die in den Unternehmen praktizierte Zeiterfassung die Vorgaben. In diesem Fall kann das Finanzamt bei einer späteren Prüfung die Fördergelder wieder zurückfordern – eventuell mit Zinsen.
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Jens Gieseler