Wie kommt es zu den Sanktionen?
Wenn es um die Gefahren für Deutschland geht, die durch den Krieg in der Ukraine ausgelöst werden, dann ist weniger die Rede von der Flüchtlingsproblematik oder der Furcht vor dem Einsatz von Atomwaffen als von den konkreten negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft. Führen die Sanktionen dazu, dass nicht nur der Kriegsgegner Russland geschwächt wird, sondern auch auf der anderen Seite unsere Versorgung, unsere wirtschaftliche Aktivität, getroffen wird? Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat nun unter dem Titel „Kalte Schulter“ einen Überblick über die EU-Sanktionen gegen Russland gegeben, der weniger über die einzelnen Maßnahmen als über das Zustandekommen und die Bedeutung der einzelnen Aktionen informiert.
Einfrieren, aber nicht beschlagnahmen
Zunächst einmal gilt es zu unterstreichen, dass die Sanktionen nicht die russische Bevölkerung, sondern das kriegsführende Regime treffen sollen. Entsprechend sind Exporte für medizinische Zwecke etwa von Sanktionen ausgenommen. Dagegen gilt es, durch ein Embargo die russischen Industriekomplexe empfindlich zu treffen. So ist es verboten, Mikrochips oder Navigationstechnologie, aber auch Flugzeuge auszuführen. Angegangen werden soll aber auch die Führungselite des Landes selbst. Entsprechend ist es nicht mehr erlaubt, Luxusgüter, wie bestimmte Autos, Uhren oder Porzellan nach Russland zu verkaufen. In diesem Zusammenhang wurden auch Präsident Putin und weitere Entscheider des Landes, insgesamt mehr als 1.100 Personen, auf eine Liste gesetzt, die nicht nur ein Einreiseverbot beschlossen hat, sondern auch deren Vermögen einfriert.
Was bedeutet nun das Einfrieren von Vermögenswerten genau? Bilder von Yachten oder Luxuswohnungen machen in diesem Zusammenhang die Runde, aber es bleibt festzuhalten, dass deren private Verwendung rechtlich weiterhin zulässig ist. Das Ministerium führt aus, dass etwa eine Yacht, die im Hafen liegt, nicht mehr verchartert werden kann. Ebenso kann eine Eigentumswohnung weiter bewohnt , aber nicht vermietet werden. Das Eigentum kann also nicht mehr wirtschaftlich genutzt werden. Es findet aber keine Enteignung statt. Wertpapierdepots, Konten und Unternehmensbeteiligungen sind eingefroren, aber nicht beschlagnahmt. Damit können die gelisteten Personen nicht mehr zugreifen und verfügen. Mandate im Zusammenhang mit Unternehmensbeteiligungen können nicht mehr ausgeübt werden.
Direkt deutsches Recht
Die Maßnahmen sind von der EU beschlossen und formuliert worden. Wichtig ist, dass sie sofort deutsches Recht werden. Dem voraus geht ein zweistufiges EU-Verfahren über den Auswärtigen Dienst und die EU-Kommission, deren Beschlüsse und Verordnungen dann unmittelbar geltendes deutsches Recht werden. Es bedarf dabei nicht mehr einer zusätzlichen behördlichen Anordnung in Deutschland. Banken und andere Wirtschaftsteilnehmende sind operativ direkt dafür verantwortlich, das Einfrieren von Vermögenswerten zu beachten. Die Bundesregierung hatte bereits Mitte März eine Task-Force eingerichtet, um die EU-Sanktionen zu überwachen.
Banken ohne BIC-Code
Eine besondere Rolle bei den Maßnahmen spielt der Ausschluss russischer Banken aus dem Swift-System. Mit ihm arbeiten rund 11.000 Banken aus über 200 Ländern, wenn es um Zahlungstransaktionen geht. Swift stellt die technische Infrastruktur zur Verfügung, verbucht also nicht die einzelnen Zahlungen. Der Vorteil liegt in der hohen Verfügbarkeit und der Sicherheit des Netzwerkes. Damit trifft man auch die russischen Banken bei ihrem Verkehr mit Drittländern, muss andererseits aber auch bedenken, dass Russland ein eigenes System hat, dem immerhin 400 vor allem russische Institute angeschlossen sind. Banken die ausgeschlossen werden, könnten sich aber auch mit einem chinesischen Zahlungssystem für die Transaktionen anfreunden und auch dieses für die Zukunft stärker machen.
Ausgesetzt worden sind aber auch die Exportkreditgarantien, die sogenannten Hermesdeckungen, mit deren Hilfe Ausfuhren im Hinblick auf politische oder wirtschaftliche Risiken des Geschäfts abgesichert werden konnten. Steht kein Kreditversicherungsangebot zur Verfügung, so übernimmt der Bund den Fall. Allerdings gibt es Voraussetzungen: So muss der überwiegende Teil der Wertschöpfung des Geschäfts in Deutschland erfolgen. Außerdem muss eine gewisse risikomäßige Vertretbarkeit gegeben werden. Das heißt, dass zumindest Aussicht auf einen schadensfreien Verlauf besteht. Bestehende Exportgarantien gegen Zahlungsausfälle bei Exporten nach Russland, Belarus und in die Ukraine sind abgesichert. Doch mit dem Beginn des Krieges (noch am 24. Februar) wurden die Exportgarantien durch die Bundesregierung ausgesetzt. Ausnahmen sind möglich, wenn es um humanitäre Fragen geht – es kommt dann zu einer genauen Einzelfallprüfung. Auch Investitionen und damit verbundene Garantien sind ausgesetzt.
Ob die Sanktionen ihren Zweck erreichen, ob sie tatsächlich den Aggressor schwächen, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht sicher. Ungeklärt ist auch, wie man mit den Sanktionen im weiteren Verlauf des Krieges umgehen will, etwa wenn es zu einem Waffenstillstand kommt. Vor allem aber bleibt abzuwarten, wie Russland mit eigenen Sanktionen reagiert, die empfindlich für die deutsche Wirtschaft zu spüren wären. Die Diskussion um den Abbruch der Gasimporte und ihre Folgen für die Industrie zeigt, wie sensibel die Maßnahmen sind.
Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz