Kein Ende der Wirtschaftskrise in Sicht? Das erwarten Deutschlands Banken für 2025

Maue Geschäftserwartungen, große Unsicherheit, geringe Investitionen – das Creditreform-Magazin hat die Chefvolkswirte der deutschen Geschäftsbanken um eine Prognose für 2025 gebeten. Sie fällt durchwachsen aus. Doch es gibt auch Lichtblicke.

Seit einigen Jahren ist der Blick auf die Konjunkturprognosen für Deutschland ziemlich ernüchternd. Und nicht die Zahl vor dem Komma ist entscheidend – dort steht seit zwei Jahren eine Null, 2023 sogar mit negativem Vorzeichen –, sondern die Nachkommastelle wird kritisch beäugt. So gesehen, kann die aktuelle Vorhersage der Volkswirte der deutschen Banken und Bankenverbände sogar Hoffnung machen. Wenn auch nur im Null-Komma-Bereich. Aber immerhin. Fast alle Ökonomen glauben für das Jahr 2025 daran, dass die Rezession endet, und halten ein Wirtschaftswachstum von 0,2 bis 0,7 Prozent für möglich. Allerdings bleiben sie mit ihrer Einschätzung deutlich unterhalb der Herbstprojektion der Bundesregierung, die im Oktober für das nun begonnene Jahr noch ein Wirtschaftswachstum von 1,1 Prozent in Aussicht gestellt hatte.  

Doch seitdem ist einiges passiert: In den USA regiert wieder Donald Trump, während in Deutschland die Auflösung des Bundestags und Neuwahlen vorbereitet werden. All das verstärkt die Unsicherheit. „Auch basierte die Herbstprojektion darauf, dass die Wachstumsinitiative der zerbrochenen Bundesregierung rasch und vollständig umgesetzt wird“, sagt Klaus Borger, Konjunkturexperte bei KfW Research.  


Zinswende setzt wichtige Impulse

Auf der anderen Seite scheint die starke Inflation vorläufig gebannt. In Deutschland pendelte sich der Anstieg der Verbraucherpreise zuletzt bei 2,2 Prozent ein, was die Europäische Zentralbank dazu veranlasst hat, die Leitzinsen in vier Schritten auf inzwischen 3,0 Prozent zu senken. „Zwar gibt es weiterhin Inflationsrisiken, aber die Gesamtraten der Verbraucherpreise dürften 2025 für Deutschland und den Euroraum nahe dem Zielniveau von 2 Prozent liegen“, sagt Reinhold Rickes, Chefvolkswirt des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV). Parallel dazu haben die Reallöhne im vergangenen Jahr um 2,9 Prozent zugelegt. „Wir rechnen also damit, dass die bremsende Wirkung der Geldpolitik und der hohen Energiepreise nachlassen dürfte“, sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Sein Institut sieht die Inflation in diesem Jahr bei 2,1 Prozent. Seine Kollegen schätzen es ähnlich ein. Andreas Rees, Chefökonom der Hypovereinsbank (HVB), rechnet sogar mit nur 1,5 Prozent und infolgedessen mit einer möglichen Leitzinssenkung auf bis zu 1,75 Prozent im Jahresverlauf.  

Vor allem die Bau- und Immobilienbranche kann etwas optimistischer in die Zukunft schauen. „Sie dürfte sich aufgrund weiter fallender Zinsen und einer unterliegend starken Nachfrage, gerade nach Wohnraum, erholen“, sagt Rees. Tatsächlich schätzen auch die Immobilienfirmen selbst ihre Lage nach der vollzogenen EZB-Zinswende wieder besser ein. Sie verbilligt Kredite, verbessert die Bautätigkeit und trägt dazu bei, dass Immobilienfirmen keine Wertminderung ihrer Bestände vornehmen müssen. Ergänzend dazu stützt sich die Prognose des Mini-Wirtschaftswachstums für 2025 auf die Erwartung, dass die Verbraucher ihre Zurückhaltung langsam überwinden. „Der private Konsum bleibt der wichtigste Konjunkturtreiber“, sagt Klaus Borger. Auch für HVB-Chefvolkswirt Rees wird er „ein wichtiger Impulsgeber sein, während von der Exportseite voraussichtlich nur wenig Rückenwind kommt“. Andreas Bley, Chefvolkswirt des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) ergänzt: „Allmählich steigt die Kaufbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger wieder, weil die Einkommen aufgrund von Tariflohnsteigerungen solide zunehmen.“

Konsum ist (leider) nicht alles

Einzig Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING-DiBa in Deutschland, geht davon aus, dass die Rezession 2025 anhält und das deutsche Bruttoinlandsprodukt um 0,2 Prozent schrumpft. Zum einen, weil es in diesem Jahr weniger Arbeitstage gibt. Zum anderen, weil Deutschland „für ein höheres Wachstum Strukturreformen, Investitionen und eine Bundesregierung benötigt, die nicht jede sinnvolle Maßnahme nach gefühlt einem Tag in Zweifel oder sogar wieder zurückzieht“, sagt Brzeski und setzt damit den eigentlichen Ton in der diesjährigen Bankenumfrage des Creditreform-Magazins. 

Alle Volkswirte blicken erwartungsvoll auf den 23. Februar 2025, an dem die Deutschen die neue Bundesregierung wählen – und hoffen im Sinne der Konjunktur auf möglichst kurze und reibungslose Koalitionsverhandlungen. „Bis eine neue Regierung steht, droht Deutschland eine monatelange Phase des politischen Stillstands“, fürchtet Michael Holstein, Chefvolkswirt der DZ Bank. „Das ist umso gefährlicher, da mit der neuen US-Regierung ein mächtiger Akteur den Druck auf Europa und damit auch auf Deutschland erhöhen wird“, so Holstein weiter. „Mit den von Trump bereits angekündigten höheren Zöllen auf US-Importe von Industriegütern zeichnen sich neue Belastungen für die Industriekonjunktur ab“, ergänzt KfW-Ökonom Borger. „Umso wichtiger ist es deshalb, die von vielen Unternehmen beklagte Verschlechterung der Standortbedingungen entschlossen anzugehen.“  
Der Wahlsieger steht also unter Zeitdruck. Tatsächlich dauerte es nach den vergangenen drei Wahlen jeweils deutlich mehr als zwei Monate bis zur Unterzeichnung eines Koalitionsvertrags. 2013 vergingen 86 Tage, bis die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD stand. 2017 waren es sogar 171 Tage und 2021 nahm die Ampel ihre Regierungsgeschäfte erst 73 Tage nach der Wahl auf.


Vertrauen wieder herstellen

Nur: Je länger es dauert, desto länger fehlt Verbrauchern und Unternehmen die Planungssicherheit. Und es ist genau diese Sicherheit, die für einen Aufschwung dringend gebraucht wird. „Investitionspläne scheitern nicht an der Finanzierung“, sagt Robin Winkler, Chefvolkswirt der Deutschen Bank. „Unternehmen fehlt oft die nötige Planungssicherheit und Wettbewerbsstärke am Standort Deutschland.“  

Stattdessen kämpfen sie mit hohen Kosten für Energie, Arbeit und Material und werden von Bürokratie ausgebremst. Allein das seit 2023 geltende Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz erfordert in exportstarken Industrieunternehmen viel Papierkram, um lückenlos und länderübergreifend nachzuweisen, dass soziale und ökologische Sorgfaltspflichten in den Lieferketten eingehalten wurden. 

„Wir brauchen möglichst schnell Klarheit über den Kurs in der Wirtschaftspolitik“, sagt BVR-Ökonom Bley. „Dieser sollte sich ohne Wenn und Aber auf eine Verbesserung des Wirtschaftsstandorts ausrichten. Dazu zählen der Abbau von Bürokratie, niedrigere Unternehmenssteuersätze, niedrigere Strompreise und längerfristig verlässliche Rahmendaten“, fasst er die Erwartungen zusammen, die jeder der befragten Volkswirte so oder so ähnlich an die Politik stellt. Gleichzeitig machen die Experten klar, dass die benötigten Reformen komplex sind – und deshalb nicht über Nacht bedeutende Konjunktureffekte auslösen können. Die Sanierung und Modernisierung der öffentlichen Infrastruktur braucht ebenso Zeit wie die Sicherung einer preiswerten Energieversorgung. Und erst recht die Antwort auf die Frage, wie all das – mit, ohne oder veränderter Schuldenbremse – finanziert werden soll. 

Deshalb werde es schwierig sein, „durch wirtschaftspolitische Impulse das Wachstum schon 2025 auf über 1,0 Prozent anzufachen“, sagt Robin Winkler. „Dies sollte sich die nächste Bundesregierung eher als Ziel für 2026 vornehmen.“ Nur eins kann das neu zu bildende Kabinett nicht, stellt Klaus Borger von der KfW klar: „Letztlich muss auch die Nachfrage nach deutschen Produkten wieder anspringen. Das hat die Politik nur sehr begrenzt in der Hand. Hier sind die Unternehmen selbst gefragt, ihre aktuellen Geschäftsmodelle kritisch zu hinterfragen.“  


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Christian Raschke
Bildnachweis: Getty Images



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