Creditreform Magazin

Mit Polster durch die Krise

Im Corona-Jahr verschlechtert sich bei vielen Unternehmen die Eigenkapitalquote. Mit nachrangigen Kapitaleinlagen können Firmen ihren Status halten oder verbessern. Wie eine moderne Finanzstruktur aussieht.

Deutschen Unternehmen bricht die Nachfrage weg: Das ist Ergebnis der Ende November veröffentlichten Blitzumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags in Berlin unter rund 13.000 Teilnehmern aus dem Mittelstand. Danach ist jeder zweite Betrieb betroffen. Mit einem Umsatzrückgang für 2020 kalkulieren zwei Drittel der Befragten. Entsprechende Folgen sind Liquiditätsengpässe, ein Rückgang des Eigenkapitals und sogar drohende Insolvenz. „Das kann im Jahr 2021 zu einem erschwerten Fremdkapitalzugang führen“, warnt Gabriele Romeike, Geschäftsführerin der Beratungsgesellschaft Financial Projects GmbH in Mülheim an der Ruhr und unter anderem Mitglied der Arbeitsgruppe Finanzierung im Verband „Die KMU-Berater“. Deshalb werde es im kommenden Jahr darum gehen, die Eigenkapitalquote zu halten oder zu stärken. Firmenchefs sollten hier frühzeitig reagieren – im Idealfall bevor sie sich im ersten oder spätestens im zweiten Quartal mit dem Jahresabschluss beschäftigen. Denn ein Ziel sollte es sein, Abzügen beim Rating der Banken vorzubeugen. 

Wirtschaftliches Eigenkapital

Zum Beispiel via Mezzanine: Dabei handelt es sich um eine Mischform zwischen Eigen- und Fremdkapital. Im Gegensatz zu einer klassischen Kreditfinanzierung werden diese Mittel nachrangig bedient. Darunter fallen zum Beispiel stille Beteiligungen, Genussrechte, Wandelanleihen oder Nachrangdarlehen. Treten Zahlungsschwierigkeiten ein oder gar die Insolvenz, kommen zuerst andere Gläubiger und Darlehensgeber zum Zuge.

Mezzanine-Kapital erkennen die Banken daher in ihren Ratingsystemen als wirtschaftliches Eigenkapital an. Steuerlich handelt es sich aber um Fremdkapital. Entsprechend sind die Zinsaufwendungen in der Regel als Betriebsausgabe absetzbar. Und der Firmenchef behält die Oberhand, die Geldgeber haben keine Mitspracherechte. „Eine solche Finanzierung dient in der aktuellen Situation vor allem der Stabilisierung der Gesamtfinanzierungsstruktur. Unternehmen schaffen sich zudem Freiräume, wenn sie bei hohen Investitionen beziehungsweise infolge von Technologiesprüngen über lange Zeiträume Liquidität benötigen“, erklärt Christian Futterlieb, Geschäftsführer von VR Equitypartner in Frankfurt.

Das klingt erst einmal gut. Doch Angebote sind rar. Der Boom der Mezzanine-Finanzierungen ist seit der Finanzkrise 2008 vorbei. Die großflächigen Programme und Fonds, von denen Mittelständler damals profitieren konnten, sind ausgelaufen und wurden nicht wieder aufgelegt. Auch die mittelständischen Beteiligungsgesellschaften der Länder bieten nur noch wenige Möglichkeiten, zu günstigen Konditionen an Mezzanine-Kapital zu kommen. Beispielsweise gibt die NRW.BANK im Rahmen des Programms „Einzelinvestments“ Nachrangkapital typischerweise bis zu einer Höhe von 20 Millionen Euro in Form von qualifizierten Minderheiten; oder in Form von eigenkapitalnahem Kapital für einen Investitionszeitraum von in der Regel fünf bis sieben Jahren. Zielgruppe sind etablierte Gesellschaften mit Wachstums- und Wertsteigerungspotenzial sowie erfahrenem Management.

Stabiler Cashflow gefragt

Das ist ein Knackpunkt. Jungunternehmer werden es sehr schwer haben, in der Durststrecke der Pandemie bei Kapitalgebern fündig zu werden. Vor allem die Beteiligungsgesellschaften interessieren sich in erster Linie für etablierte Firmen, „die grundsätzlich einen stabilen Cashflow aufweisen, um die erhöhten Zinszahlungen decken zu können“, so Futterlieb.  Das ist Voraussetzung, um eine tilgungsfreie langfristige Finanzierung zu erhalten sowie um keine Gesellschaftsrechte abgeben zu müssen. „Das Reporting muss in einem verlässlichen Zustand sein“, sagt Futterlieb.

Die Restaurantkette The ASH in Frankfurt erfüllte im vergangenen Jahr die Vorgaben. Die Beteiligungsgesellschaft VR Equitypartner ist hier mit einer Mezzanine-Finanzierung in Millionenhöhe eingestiegen, „um die Wachstumspläne noch gezielter umsetzen zu können“, kommentiert Futterlieb. Geplant sind nach der jüngsten Eröffnung eines Flagship-Stores in Frankfurt zusätzlich vier Häuser in Deutschland und später auch Standorte im Ausland. The ASH gehört zur Apeiron Gruppe, die zum Beispiel auch die Gastronomiemarken Bullitt und Ginyuu betreibt sowie im Franchise mehrere L‘Osteria-Filialen. Die beiden Unternehmen sehen sich als Partner und wollen „den eingeschlagenen Weg der Expansion in den nächsten Jahren zusammen fortsetzen“, so Kent Hahne, Chef der Restaurantkette The ASH.

Futterlieb ist optimistisch, mittelfristig grundsätzlich größeres Interesse an diesen Finanzierungen bei Unternehmen wecken zu können. Die Finanzierungsbedarfe durch die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise seien in erster Linie durch Hausbankenkredite mit Bürgschaften gedeckt. „Deshalb verzeichnen wir aktuell noch keinen deutlichen Anstieg bei den Mezzanine-Finanzierungen“, sagt der Geschäftsführer von VR-Equitypartner. Und zwar, weil momentan mit Blick auf die weitere konjunkturelle Entwicklung, die Geopolitik und die daraus resultierenden Volatilität der Finanzmärkte große Unsicherheit bestehe. „Der Wunsch nach Stabilität steht im Vordergrund, den wir mit Mezzanine bedienen können“, sagt Futterlieb.

Unabhängigkeit stärken

Mittelständische Unternehmer dürften aber reflektieren. Nicht immer wird der Einstieg eines strategischen Partners gewollt sein – selbst wenn der Firmenchef die Zügel in der Hand behalten kann. Falls es nur darum geht, die Eigenkapitalposition zu stärken, können andere Instrumente greifen. Die Spezialistin für Unternehmensfinanzierung Gabriele Romeike rät in der aktuellen Corona-Situation dazu, bevorzugt „die Unabhängigkeit von der Hausbank zu stärken“. Romeike erklärt, wie in dem Zusammenhang eine moderne Finanzierungsstruktur aussieht: Sie orientiere sich an den Angeboten der Finanzdienstleistungsunternehmen. „Im Vergleich zu Banken haben sie bessere Möglichkeiten vom Gesetzgeber erhalten, Liquidität auszukehren“, so Romeike. Die Optimierungsaufgabe der Firmen liege darin, mehr liquide Mittel bei der Übertragung von Sicherheiten zu erhalten, als bisher bei den Geldinstituten erzielbar waren. „Wenn die bestehenden Finanzierungsverträge mit den Banken diese Optimierung behindern, werden Umfinanzierungen erforderlich.“


Die Vorteile und die Risiken der Mezzanine-Modelle


VORTEILE

  • Die Bilanzstruktur verbessert sich, weil wirtschaftliches Eigenkapital ausgewiesen wird.
  • Das wirkt sich positiv auf das Rating bei der Bank aus, womit Folgefinanzierungen leichter und günstiger werden.
  • Das Unternehmen wird unabhängiger von der Hausbank.
  • Sicherheiten sind nicht gefordert.

 

RISIKEN

  • Mezzanine-Kapital ist teurer als die Kreditfinanzierung, wobei sich der Nachteil aufgrund des besseren Ratings nivellieren kann. Möglicherweise erhalten die Investoren eine Gewinnbeteiligung.
  • Die Verträge sind komplexer als ein Bankkredit gestaltet, entsprechend müssen sie kritisch geprüft werden.
  • Die Laufzeiten sollten klar definiert sein, in der Regel sind es fünf bis zehn Jahre. Am Ende der Laufzeit wird das Kapital zurückgezahlt.
  • Um die Modelle vergleichen zu können, sollten mehrere Angebote eingeholt werden.
  • Die Kapitalgeber haben erhöhte Erwartungen ans Reporting. Ein stabiler Cashflow ist Voraussetzung. Wenn die Vorgaben nicht eingehalten werden, können die Kapitalgeber gegebenenfalls die Verträge kündigen.
  • Die Kapitalgeber erhalten keine Mitspracherechte, aber Informations- und Kontrollrechte.
  • Das Kapital ist bei Insolvenz gegenüber Fremdkapital nachrangig, gegenüber dem Stammkapital jedoch vorrangig.

Wer kommt als Kapitalgeber in Betracht?

Beteiligungsgesellschaften sind die klassischen Ansprechpartner. Sie interessieren sich in der Regel für etablierte und solide aufgestellte Mittelständler mit Wachstumspotenzial. www.bvkap.de

Business Angels sind in der Regel private Investoren, die sich an Firmen beteiligen wollen und die Unternehmen bei ihrer Entwicklung unterstützen, teilweise auch in Form einer echten Beteiligung. www.business-angels.de

Mittelständische Beteiligungsgesellschaften bieten entsprechende Förderprogramme, allerdings sind das wenige. Unternehmer können auf der jeweiligen Internetseite der MBG ihres Landes recherchieren und gegebenenfalls direkt Kontakt mit ihr aufnehmen. www.mbg.de

Private Geldgeber: Hier kommen Internetplattformen ins Spiel, die das Kapital von privaten Anlegern für das jeweilige Unternehmen einsammeln. Jüngst ging zum Beispiel als Vermittler die VR Bank Dreieich an den Start. www.vr-crowd.de

Auch die Plattform der Initiative zur Stärkung des Eigenkapitals im deutschen Mittelstand ISEM bringt kapitalsuchende mittelständische Unternehmen, Investoren und Berater zusammen. www.initiative-eigenkapital.de


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Eva Neuthinger



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