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Viele neue Handwerksbetriebe - aber das klassische Handwerk hat es schwer
Manches traditionsreiche Industrieunternehmen hat seine Wurzeln im Handwerk. Und so ist ein Blick auf die aktuelle Entwicklung nicht nur im Hinblick auf die historische Perspektive interessant, sondern auch von der Hoffnung getragen, dass sich mit der Gründung eines Handwerksbetriebes einmal in Zukunft noch Größeres erschließt.
Baden-Württemberg ist Kernland des Handwerks. Manches traditionsreiche Industrieunternehmen hat seine Wurzeln im Handwerk. Und so ist ein Blick auf die aktuelle Entwicklung nicht nur im Hinblick auf die historische Perspektive interessant, sondern auch von der Hoffnung getragen, dass sich mit der Gründung eines Handwerksbetriebes einmal in Zukunft noch Größeres erschließt. Manche Branchen oder Gewerke nutzen schon die Chancen der Digitalisierung und schließlich auch der Digitalisierung, die über das „Ländle“ hinausführt. Gibt das aktuelle Gründungsgeschehen im Handwerk des Südwestens Anlass zu Hoffnungen?
Der Baden-Württembergische Handwerkstag e. V. nennt die aktuellen Zahlen, die wir hier wiedergeben. Am 31. Dezember 2018 waren 133.588 Betriebe bei den Handwerkskammern im Land eingetragen. Damit gab es zum ersten Mal mehr als 133.000 Betriebe im Land. Der Betriebsbestand ist zum ersten Mal seit 2011 wieder nennenswert gewachsen – und zwar binnen Jahresfrist um 867 Betriebe oder 0,7 Prozent.
Im Jahr 2018 wurden 12.002 Betriebe neu bei den Handwerkskammern eingetragen. Die Zahl der Eintragungen ist damit im Vergleich zu 2017 um sieben Prozent gestiegen und lag sehr hoch: Mehr als 12.000 Eintragungen gab es in den vergangenen zwanzig Jahren nur im Jahr 2011 sowie in den Jahren 2004 bis 2006 nach der Novelle der Handwerksordnung, mit der die Meisterpflicht in vielen Gewerken wegfiel.
Demgegenüber lag die Zahl der Abgänge mit 11.135 sogar um 0,6 Prozent unterhalb des Vorjahreswertes. Der Vollständigkeit halber muss erwähnt werden, dass nicht jede Eintragung/Löschung eine Gründung/Schließung ist. Ein kleiner Teil der Eintragungen bzw. Löschungen ist auf Rechtsformwechsel oder Umzüge in andere Kammergebiete zurückzuführen.
Allerdings gibt es einen Wermutstropfen: So ging das Wachstum nur auf wenige nicht zulassungspflichtige Berufe zurück, während die Zahl der zulassungspflichtigen Betriebe wiederum zurückgegangen ist. Der Anteil der zulassungspflichtigen Berufe sank bis zum Jahresende auf knapp unter 60 Prozent (59,5 Prozent). Die zulassungsfreien Gewerke konnten ihren Anteil auf 22,4 Prozent steigern. Die handwerksähnlichen Gewerke hielten ihren Anteil von 18 Prozent konstant.
Am Stichtag waren 79.542 Betriebe des zulassungspflichtigen Handwerks (Anlage A HwO) eingetragen. Das waren 0,6 Prozent weniger als im Vorjahr. Damit sank die Zahl zum ersten Mal unter die Marke von 80.000. Die Zahl der Betriebe ging zum achten Mal in Folge leicht zurück. Allerdings war der Rückgang im Jahr 2018 mit 496 Betrieben geringer als in den letzten beiden Jahren. 3.873 Betriebe wurden eingetragen – 0,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Dabei kamen 83 Prozent der Betriebe mit einer Meister- oder vergleichbaren Prüfung ins Handwerk. Die Zahl der Abgänge lag bei 4.342 – 4,2 Prozent weniger als vor einem Jahr. Vor allem im Bauhaupt- und Ausbaugewerbe ging die Zahl der Abgänge stark zurück. Die Löschungsquote betrug weiterhin 5,5 Prozent vom Bestand.
Das klassische Handwerk kommt nicht nach
Die einzige Gewerkegruppe, die einen kleinen Betriebszuwachs verzeichnete, war das Dienstleistungsgewerbe mit einem Zuwachs von 27 Betrieben (+ 0,2 Prozent). Dort gab es wiederum einen Zuwachs an Friseurbetrieben (+ 38 Betriebe), die in diesem Bereich die weitaus größte Gruppe stellen (86 Prozent). Die größte Gewerkegruppe im zulassungspflichtigen Handwerk war weiterhin mit Abstand das Ausbaugewerbe mit einem Anteil von 37 Prozent. Der Betriebsbestand sank um 0,6 Prozent auf 29.085 Betriebe (- 186). Bis auf die Elektrotechniker (8.265 Betriebe, + 3) ging die Betriebszahl in allen Gewerken zurück. Die stärksten Rückgänge verzeichneten Tischler (4.796 Betriebe, - 69), Maler und Lackierer (5.108 Betriebe, - 51) sowie Installateure und Heizungsbauer (6.594 Betriebe, - 51). Mit jeweils ungefähr zwölf Prozent Betriebsanteil gleich stark sind die Gruppen Bauhauptgewerbe, Handwerke für den gewerblichen Bedarf und das Kfz-Gewerbe. Das Bauhauptgewerbe konnte seinen Bestand mit einem Minus von 0,2 Prozent knapp halten. Größere Rückgänge gab es bei Maurern und Betonbauern (4.011 Betriebe, - 30). Ebenso knapp konstant geblieben war der Betriebsbestand beim Kfz-Gewerbe. Der Rückgang betrug minimale 0,1 Prozent. Der Betriebsbestand im Kfz-Technikerhandwerk, dem zahlenmäßig weit überlegenen Beruf in dieser Gruppe, sank um 14 auf 7.983 Betriebe. 1,5 Prozent betrug der Rückgang beim Handwerk für den gewerblichen Bedarf. Bis auf die Kälteanlagenbauer (371 Betriebe, + 6) und die Seiler (22 Betriebe, +/- 0), war der Bestand in allen Berufen rückläufig. Die größten Veränderungen gab es bei den Feinwerkmechanikern (3.828 Betriebe, - 56) und den Metallbauern (3.407 Betrieb, - 49). Hier laufen seit Jahren Konzentrationsprozesse ab, wobei kleinere Betriebe schließen und größere stärker wachsen. An dritter Stelle standen die Informationstechniker (829 Betriebe, - 31), wo Marktveränderungen hin zu Elektroketten, dem Online-Handel und technische Änderungen hin zum Internet-Fernsehen die Betriebe zum Aufgeben zwingen. Das größte prozentuale Minus mit 2,3 Prozent verzeichneten wiederum die Nahrungsmittelgewerke, wo es ebenso eine Konzentration hin zu größeren Betrieben gibt. Dabei waren Fleischer (2.257 Betriebe, - 68) stärker betroffen als Bäcker (1.681 Betriebe, - 45). Insgesamt hat das Nahrungsmittelgewerbe einen Anteil von knapp sechs Prozent am gesamten zulassungspflichtigen Handwerk. Die mit einem Anteil von 4,4 Prozent kleinste Gruppe ist das Gesundheitsgewerbe. Dort ging der Betriebsbestand um 0,7 Prozent auf 3.515 Betriebe leicht zurück.
Fotografen und Gebäudereiniger
Im zulassungsfreien Handwerk (Anlage B1 HwO) waren am Stichtag 29.913 Betriebe eingetragen. Der Betriebsbestand stieg binnen Jahresfrist um 975 Betriebe (+ 3,4 Prozent). Damit zog das Wachstum im Vergleich zu den letzten beiden Jahren deutlich an. Die Zahl der Zugänge ist deutlich um 10,5 Prozent auf über 5.100 im Vorjahresvergleich gestiegen, nachdem sie über drei Jahre recht konstant bei rund 4.600 lag. Auch die Zahl der Abgänge nahm zu – aber nur um 3,7 Prozent auf 4.146, nachdem auch hier die Zahl über einige Jahre hinweg konstant bei rund 4.000 lag. Bezogen auf den Bestand wurden 14 Prozent der Betriebe gelöscht.
Das starke Wachstum ging jedoch nur auf wenige Berufe zurück. In den übrigen Gewerken war wenig Veränderung zu spüren. Das stärkste Wachstum verzeichneten die Fotografen, wo der Betriebsbestand um 451 auf 3.858 Betriebe stieg (+ 17,2 Prozent). Dieser Beruf verzeichnet seit einigen Jahren hohe Wachstumsraten, wobei der überwiegende Teil der Gründer im Nebenerwerb, beispielsweise in der Veranstaltungsfotografie, tätig ist. An zweiter Stelle standen die Gebäudereiniger mit einem deutlichen Plus von 393 Betrieben (+ 7,2 Prozent), nachdem seit 2015 der Betriebszuwachs gesunken ist. Vermutlich sind darin viele Teilzeit-Reinigungskräfte enthalten, die sich über Online-Plattformen als Selbstständige in Privathaushalte vermitteln lassen. Diese Plattformen haben im letzten Jahr deutlich an Aufwind gewonnen. Ebenso gewachsen, wenn auch nicht so stark, ist das zulassungsfreie Ausbauhandwerk. Insgesamt gehörten Ende Dezember 13.095 Betriebe zu dieser Gruppe (+ 1,3 Prozent), von denen alle fünf Berufe einen Zuwachs verzeichneten. Am stärksten legte die Zahl der Betriebe bei den Raumausstattern (3.524 Betriebe, + 83) und den Fliesen-, Platten- und Mosaiklegern (7.373 Betriebe, + 55) zu. Im Nahrungsmittelhandwerk konnten die Brauer und Mälzer (139 Betriebe, + 18) einen kleinen Zuwachs vermelden. Vielleicht hängt dies mit dem Boom des Craft-Beers zusammen.