Risikomanagement Newsletter

Die lebenden Toten

„Zombies“ waren bisher eine Erscheinung aus Horrorfilmen, aktuell aber bestimmen sie in vielen Teilen die Diskussion bei der Frage, wie die Unternehmen die Pandemie-Krise überstanden haben.

Klare Aussagen werden wohl erst in einigen Jahren möglich sein. Erst dann liegen die Bilanzen vor, auf deren Basis sich vor allem die Ertragssituation und ihre Veränderungen im Zeichen von Corona darstellen lassen. Der Verdacht, dass eine Vielzahl von Unternehmen als „lebende Tote“, sogenannte „Zombieunternehmen“ weiter am Markt agiert, stellt sich angesichts sinkender Insolvenzzahlen und einer niedrigen Zinsbelastung schon länger. In der Krise seit dem Frühjahr des Vorjahres erreichten die Unternehmensinsolvenzen neue Tiefstände. Werden auch zukünftig öffentliche Gelder locker gemacht für Betriebe, die diese kaum verdienen, weil sie schon vor dem Lockdown in den roten Zahlen steckten und damit nicht wettbewerbsfähig waren?

Zombies sind weltweit unterwegs

Die Unternehmensberatung A. T. Kearney hat jüngst eine Untersuchung veröffentlicht, die erschreckende Zahlen nennt und die Pandemie geradezu als einen Katalysator für die Zunahme der Zombieunternehmen anführt. Die Analyse wurde weltweit durchgeführt, 67.000 börsennotierte Unternehmen aus über 150 Ländern und einer Vielzahl von Branchen wurden dahingehend untersucht, ob sie in der Lage sind, ihre Zinsen aus dem operativen Ergebnis zu erwirtschaften. Laut A. T. Kearney hat sich die Zahl der Zombies seit 2010, seit der letzten Finanzkrise, verdreifacht. Die Pandemie hatte die Entwicklungen bei der Zahl nicht profitabler Unternehmen noch weiter angestoßen: Es kam im Jahr 2020 zu einem weiteren Plus von 13 Prozent. In Deutschland und China, die besonders von der Pandemie betroffen waren, war der entsprechende Anteil größer als in den USA, die weniger stark gelitten hatten. Dabei sind kleinere Unternehmen mit einem Jahresumsatz von unter 500 Mio. Dollar deutlich stärker betroffen als die umsatzstärkeren Firmen.

Wen trifft es?

Wie sieht es bei den Wirtschaftsbereichen im Einzelnen aus? Dass der Handel stark betroffen ist, kommt wenig überraschend. Nicht zu erwarten war aber, dass es insbesondere den Onlinehandel trifft, der mit einem Anteil von 4,5 Prozent bei den Zombieunternehmen vertreten ist, während der stationäre Handel nur mit 4,2 Prozent dabei ist. Die Bilanzen des Einzelhandels mit Lebensmittel zeigen dagegen weniger Schleifspuren im Hinblick auf ihre Ertragssituation als der gesamte Handel. So weist der Automobilzulieferer-Sektor einen starken Anstieg aus, bleibt aber noch hinter dem Immobilienbereich zurück, bei dem bereits 7,4 Prozent weltweit unprofitabel arbeiten. Paradebeispiel scheint das chinesische Unternehmen Evergrande zu sein, das mit seiner Schieflage für Schlagzeilen sorgt und Anleger aller Länder besorgt.

Um die weitere Entwicklung bei den Zombieunternehmen abschätzen zu können, hat Kearney angenommen, dass das Zinsniveau für die Fremdkapitalfinanzierung der Betriebe um den Faktor 1,5 bzw. 2 steigen würde. Die Unternehmensberater kommen in ihrer Analyse zu dem Ergebnis, das eine solche Steigerung der Zinsen zu einer entsprechenden Erhöhung der Zombies von 19 bzw. 39 Prozent führen würde. Während die Europäische Zentralbank deutlich macht, dass mit einer Zinserhöhung in nächster Zeit und gerade angesichts der fragilen Wirtschaftssituation in der Krise nicht zu rechnen sei, spricht die amerikanische Zentralbank dagegen von Zinserhöhungen.

Die amerikanischen Unternehmensberater fokussieren börsennotierte Unternehmen in ihrer Untersuchung. Sie weisen zurecht darauf hin, dass die Untoten Kapital von Anlegern einstreichen, die für andere, gesunde Unternehmen damit nicht zur Verfügung stehen. Längerfristig wird damit das Vertrauen in funktionierende Finanzmärkte untergraben.

Unprofitabel in der Hausse

Die Creditreform Wirtschaftsforschung hat 2018 auf Basis der Bilanzen deutscher Unternehmen aus den Jahren 2014 bis 2016 bereits eine Untersuchung zu Ertraglosigkeit der Betriebe angestellt. Ergebnis war vor drei Jahren, dass selbst in der Blüte der Konjunktur 6,8 Prozent der untersuchten Betriebe über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren fortwährend Verluste einfuhren. Den höchsten Anteil stellten die Dienstleistungsunternehmen, während im Baugewerbe noch am solidesten agiert wurde. Wie weltweit bei den börsennotierten Unternehmen, spielt die Größe eine Rolle bei den Zombies im Mittelstand. So waren bei Kleinstunternehmen mit einer Bilanzsumme unter 2 Mio. Euro gut 16 Prozent ertraglose Betriebe zu finden. Chronische Verlustunternehmen setzen ihre Entwicklungen mit hoher Wahrscheinlichkeit fort. Nur eine Minderheit von knapp 29 Prozent schaffte nach zwei laufenden Verlustjahren noch den Turnaround in die Gewinnzone. Im Übrigen ging Creditreform auch vor drei Jahren schon davon aus, dass die Niedrigzinspolitik der EZB für die hohen Anteile an Fremdfinanzierung und mit deren Hilfe auch die Zombifizierung entscheidend für die Entwicklung seien. Dabei mag aktuell auch die staatliche Hilfe eine Rolle spielen angesichts der Tatsache, dass bereits vor der Pandemie besonders hilfsbedürftige Sektoren wie das Gastgewerbe oder die Dienstleister in Kunst, Unterhaltung und Erholung zu 17,5 bzw. 27,7 Prozent fortlaufend ohne Erträge dastanden. Bei allem Verständnis für die aktuell schwierige Lage bleibt doch zu fragen, ob die „öffentliche Finanzierung“ durch Zentralbanken oder staatliche Förderungen da noch Sinn macht.

Quellen: A. T. Kearney, Creditreform



Pressekontakt Regional

Marketing 

Tel.: +49 89 189293-663
marketing@muenchen.creditreform.de

Pressekontakt

Patrik-Ludwig Hantzsch
Pressesprecher
Leiter Wirtschaftsforschung

Tel.: +49 (0) 21 31 / 109-172
p.hantzsch@verband.creditreform.de
Twitter: @PtrkLdwg