Creditreform Magazin

Lackmustest für die Bank

Die Banken fürchten um die Tilgung laufender Darlehen. Entsprechend bewerten sie Kreditrisiken neu. Welche Folgen hat das für Unternehmer und wie reagieren sie darauf jetzt am besten?

Bisher kamen Baubetriebe vergleichsweise entspannt durch die Corona-Krise. „Wir haben Branchen, die extrem vom Shutdown betroffen waren. Auf der anderen Seite sehen wir Firmen aus dem Bau- und Ausbaubereich, die bis Mai gut ausgelastet waren“, sagt Thomas Radermacher, Unternehmer in Meckenheim bei Bonn und Präsident des Bundesverbands Holz und Kunststoff, dem Bundesinnungsverband für Tischler und Schreiner in Deutschland. Jetzt jedoch beklagen auch diese, dass die Nachfrage der Bauherren und der öffentlichen Auftraggeber von Zurückhaltung geprägt sei. „Mit zeitlicher Verzögerung rechnen wir mit weiteren Auswirkungen“, sagt der Kreishandwerksmeister.

Radermacher appelliert daher an die Banken, die von der Bundesregierung bereitgestellten KfW-Mittel schnell und unbürokratisch weiterzuleiten. „Das darf zwar nicht dazu führen, dass bereits vor dem Virus ‚erkrankte‘ Unternehmen künstlich am Leben gehalten werden“, sagt Radermacher. Er befürchtet sonst Wettbewerbsverzerrungen. „Aber für gesunde Firmen sind die Kredite durchaus eine gute Lösung“, sagt der Schreinermeister.

Große Unsicherheit im Markt

Der Unternehmer spiegelt mit seiner Einschätzung die aktuelle Situation. „Weil Dauer, Intensität und Ausbreitung von COVID-19 derzeit nicht absehbar sind, herrscht große Unsicherheit im Markt über alle Wirtschaftssektoren hinweg“, bestätigt Michael Munsch, Vorstand der Creditreform Rating AG. Dies schlägt auch auf Banken als Geldgeber durch. „Sie sind zwar zunächst im Wesentlichen nur indirekt durch die Corona-Krise betroffen. Je nach wirtschaftlichem Sektor und Land, in dem das Institut aktiv ist, rechnen wir aber mit unterschiedlich starken, jedoch durchweg negativen Auswirkungen“, warnt Munsch. Im März dieses Jahres wurde daher die Mehrheit der Banken­ratings vorerst auf „watch negative“ gesetzt. Das bedeutet: Die Bonität der Kreditinstitute könnte in den kommenden Monaten herabgestuft werden. „Wir beobachten jetzt verstärkt die weitere Entwicklung der Hilfsprogramme und auch die Verbindung zwischen Staaten und Banken“, sagt Munsch. Die Geldinstitute stehen damit unter Druck. Genau dies dürfte zu Veränderungen im Firmenkundengeschäft führen, speziell bei der Kreditvergabe. Unternehmer sollten sich wappnen.


„Wir rechnen mit unterschiedlich starken, jedoch durchweg negativen Auswirkungen.“
Michael Munsch, Vorstand der Creditreform Rating AG


Das Ifo-Institut prognostizierte Ende Mai für 2020 in Deutschland einen konjunkturellen Einbruch von 6,6 Prozent der Wirtschaftsleistung. Bernd Liesekötter, Senior Manager der Beratungsgesellschaft zeb in Münster, die sich auf das Feld des Financial Service spezialisiert hat, ergänzt: „Das tatsächliche Ausmaß lässt sich noch nicht genau abschätzen. Es hängt auch von der Dauer und der Intensität der Einschränkungen ab sowie davon, wie schnell sich die Wirtschaft anschließend erholt.“ Klar scheint, dass sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im zweiten Halbjahr dieses Jahres deutlich erhöhen dürfte. Sowohl die zeb-Berater als auch die Creditreform-Experten gehen davon aus. In der Konsequenz steigen die Ausfallwahrscheinlichkeiten und somit die Kreditrisiken der Banken.

Transparent kommunizieren

„Unsere Simulationen auf Basis von veröffentlichten Bilanz- und GuV-Daten der Unternehmen in Deutschland zeigen sehr unterschiedliche, aber erhebliche Betroffenheit der einzelnen Branchen als Indikator für den prognostizierenden Anstieg der Risikokosten“, kommentiert Liesenkötter. Das Problem: Die Ratingsysteme der Banken berücksichtigen diese neue Situation noch nicht. „Mit Blick auf die bestehenden, stark auf historischen Daten aufbauenden Rating- und Risikomanagementsysteme der Banken und Sparkassen besteht die Gefahr, dass diese in der Breite nicht geeignet sind, das aktuelle Szenario abzubilden“, warnt Liesenkötter. Viele Geldhäuser nehmen entsprechend Anpassungen vor. Der Einfluss des Virus auf eine Branche und individuell die Entwicklung des Unternehmens nehmen bei Kreditentscheidungen künftig Einfluss.

„Noch lässt sich aber nicht absehen, wie die Gewichtungen am Ende aussehen“, sagt Munsch. Er empfiehlt Unternehmern, ihre Bonität bei ihrer Bank proaktiv abzufragen. Und er rät dazu, offen und transparent dem Firmenkundenbetreuer die eigene Situation zu erläutern. „Ziel ist es, keine Informationslücke aufzubauen“, so Munsch. Hintergrund: Wenn die Bank umfassend involviert ist, weiß sie die Lage realistisch einzuschätzen und wird eher bereit sein, Finanzierungen bereitzustellen. „Der Unternehmer kann seine Situation sowie die Prognose der Geschäftsentwicklung anhand einer detaillierten Planung gegenüber der Bank erläutern und dokumentieren. Er stellt individuell dar, welchen Einfluss der Shutdown und die Lockerungen auf seine Firma hatten“, ergänzt Liesenkötter.

Restriktivere Kreditvergabe

In jedem Fall müssen Unternehmer damit rechnen, dass die Kreditvergabe restriktiver wird. Daran ändern auch die Haftungsfreistellungen von 80 bis 90 Prozent bei den Hilfsprogrammen nichts. „Eine zentrale Finanzierungsregel wird nach Corona unverändert gelten: Die Kapitaldienstfähigkeit des Geschäftsmodells muss gegeben sein. Geliehenes Geld muss zurückgezahlt werden können“, kommentiert Christian Groschupp, Mitglied der Geschäftsleitung des Beratungsunternehmens Dr. Wieselhuber & Partner GmbH in München.

Ihre erhöhten Risiken lassen sich die Banken bezahlen. Die Kreditzinsen steigen, die Laufzeiten verkürzen sich. „Liquidität wird nicht mehr so günstig zu beschaffen sein wie bisher – unabhängig davon, ob diese zur Überbrückung aktueller Engpässe oder für längerfristige Investitionen gebraucht wird“, prognostiziert Munsch. Handwerker Radermacher wartet als Reaktion erst einmal ab. Zunächst müsse klar werden, welche Ratingkriterien in den Vordergrund treten. Darüber hinaus stelle sich dann die Frage, wie sich diese auf das jeweilige Unternehmen und dessen Fremdfinanzierungen auswirken. „Das wird der Lackmustest für das Verhältnis zur Bank. Die lokal agierenden Institute können jetzt unter Beweis stellen, was ihre Bekenntnisse zur lokalen Wirtschaft und zum Mittelstand wert sind“, sagt er hoffnungsvoll.


Bonität in der Krise: Welche Faktoren relevant sind

Banken rechnen mit erhöhten Ausfällen bei Kreditfinanzierungen. Unternehmer sollten als Reaktion daran arbeiten, ihr Vertrauensverhältnis zur Bank aufrechtzuerhalten. Welche Faktoren dabei wichtig sind.

Kontakt pflegen. Mehrere Monate war kein persönlicher Kontakt möglich. Inzwischen haben viele Filialen wieder geöffnet. Dennoch sitzen noch immer zahlreiche Kundenbetreuer im Homeoffice. Videokonferenzen können Standard werden. Über digitale Kanäle lassen sich Verträge schließen. Egal über welchen Kanal: Wichtig bleibt, bei Problemen frühzeitig mit der Bank in Kontakt zu treten.

Digitalisierung beschleunigen. Auch Banken treiben mit digitalen Lösungen die Prozessoptimierung voran. Sie professionalisieren und institutionalisieren die virtuellen Formen der Zusammenarbeit. Unternehmer sollten also ihre für die Bank relevanten Informationen und Daten entsprechend digitalisiert zur Verfügung stellen.

Alternativen aufbauen. Die Bank bleibt erster Ansprechpartner bei kapitalintensiven Finanzierungen. Daran ändert die Corona-Krise nichts. Im Gegenteil: Die KfW hält am Hausbankprinzip für die Durchreichung ihrer Hilfskredite fest. Das kennzeichnet die starke Rolle dieser Institute. Dennoch können Unternehmer die Angebote von Fintechs bei ihren Finanzierungen mit ins Kalkül ziehen. Elektronisch abgebildete Kreditvergaben werden tendenziell schneller abwickelt, darüber hinaus können die Kredithürden niedriger sein.

Eigenkapital schonen. Vor der Krise haben Unternehmen ihre Eigenkapitalpositionen gestärkt. Die Eigenkapitalquote als Verhältnis des Eigenkapitals zur gesamten Bilanzsumme gibt einen wichtigen Anhaltspunkt für die Überlebenschancen eines Unternehmens. Jeder dritte Mittelständler weist eine Quote von mehr als 30 Prozent aus. Auch wenn es schwierig ist: Das Ziel sollte sein, den Status quo zumindest zu halten.


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Eva Neuthinger



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