Creditreform Magazin

MITtendrin

Der Informationstechnologie kommt beim Umbau eines Unternehmens eine besondere Rolle zu. Dabei kann die eigene IT-Abteilung der Geschäftsleitung wertvolle Informationen und Ideen liefern. Sie steht bei einer Restrukturierung aber auch selbst auf dem Prüfstand.

„Umstrukturierung“ hätte gute Chancen, das Wort des Jahres 2024 zu werden. Nach vier Jahren wechselnder Krisen und zeitweise roter Ergebniszahlen sehen sich viele Chefs – vor allem kleinerer und mittlerer Betriebe – zu grundlegenden Anpassungen gezwungen. Eine Umfrage der DZ Bank bei 1.000 mittelständischen Unternehmern ergab, dass 36 Prozent gerade eine Umstrukturierung durchführen oder planen. Selbst in der Energiekrise 2022 waren es nicht mehr als 25 Prozent. Drei von zehn Mittelständlern halten eine Neuausrichtung ihrer Produktion oder der Unternehmenstätigkeit für notwendig – doppelt so viele wie vor einem Jahr.  

Eine zentrale Rolle bei allen Umstrukturierungen zur Verbesserung der Ertrags- und Liquiditätssituation kommt der IT zu. Big Data, Cloud, Industrie 4.0, Mobile Enterprise – die Unternehmens-IT muss schon in normalen Zeiten wegen technologischer Veränderungen viele Bälle gleichzeitig in der Luft halten. Am häufigsten unterstützt die Abteilung ihre Unternehmen bei den Zielen Prozessoptimierung, Wachstum, Kundenfokussierung und Kostenreduktion. Die Anforderungen an sie und ihre Teams steigen enorm, wenn der Betrieb umstrukturiert wird. Ein neues Geschäftsmodell oder Unternehmenskonzept, die Veränderung der betrieblichen Organisation, der Verkauf einer Abteilung oder der Zukauf einer Firma stellen die IT vor zusätzliche Herausforderungen, ermöglichen ihr aber auch, sich sukzessive zu einem strategischen Partner der Geschäftsleitung zu entwickeln.   

„Die IT ist das Rückgrat des Betriebes. Deshalb ist sie von jeder Veränderung des Unternehmens betroffen“, erklärt Bernd Tschernitschek, CIO des IT-Dienstleisters Expleo. „Bei einer Restrukturierung passiert besonders viel Neues. Deshalb muss hier zunächst die Frage nach der künftigen Businessstrategie des Unternehmens beantwortet werden, um dann die dafür passende IT-Strategie aufzusetzen.“ Die könne als Effizienztreiber wirken. Chefs mittelständischer Betriebe sollten deshalb möglichst frühzeitig ihre IT-Verantwortlichen in die Restrukturierungsüberlegungen einbeziehen: „Vielleicht verfügen meine IT-Leute ja sogar über Erfahrungen mit Neuausrichtungen oder Sanierungsmaßnahmen, die sich für mich als wertvoll entpuppen. Den Fehler, den ein anderer Betrieb gemacht hat, muss ich ja nicht wiederholen.“ Umgekehrt sollte ein kluger IT-Leiter die Geschäftsführung möglichst schnell über den Umfang der notwendigen Arbeiten und die damit verbundenen Kosten ins Bild setzen. Tschernitschek: „Das ist eine Bringschuld und absolute Notwendigkeit, um allen Beteiligten Planungssicherheit zu geben.“ 

Martin Meister kennt Fälle, in denen vom IT-Dienstleister oder aus der eigenen IT-Mannschaft wichtige Impulse für die Gesamtrestrukturierung kamen. Er ist Interim Manager und bringt bei den Unternehmen, die ihn beauftragen, eine externe Perspektive ein, die auf seinen Erfahrungen als Geschäftsführer bei Tchibo Direct und dem Webportal Chefkoch basiert. Er sagt: „Nicht selten haben Softwareanbieter einen guten Überblick über organisatorische Neuerungen in anderen Unternehmen, etwa was Vertrieb oder Customer Support angeht, und können Hinweise liefern, was erfolgreich läuft und was nicht.“ Eigene IT-Mitarbeiter seien oft sehr gut darin, Ineffizienzen in Prozessen oder bestehenden Strukturen zu erkennen, seien häufig in Communities unternehmensübergreifend organisiert und hätten auf diese Weise das Ohr am Markt. „Wenn sie die Ziele der Geschäftsführung verstanden haben, können sie die Restrukturierung mit Vorschlägen befeuern“, so der Experte.   

Nach Ansicht von Martin Meister hakt es bei einigen Restrukturierungsprojekten, „weil die IT der Firma nicht ausreichend anpassungsfähig ist“. Das sei fatal, vor allem wenn es schnell gehen muss: „Oft haben Unternehmen veraltete Versionen der von ihnen eingesetzten Software“, sagt er. „Dann kommt die Umstrukturierung ins Stocken, weil eine IT-Anpassung etwa an ein neues Einkaufs- oder Vertriebssystem erst möglich wird, wenn die Systeme erneuert wurden.“ Meisters Rat: „Die Versionen der eingesetzten IT-Systeme regelmäßig updaten, bevor das Unternehmen nicht mehr handlungsfähig ist.“  

  • Wie trennt man sich von Daten?

    Bei krisengeschüttelten größeren Betrieben, die schon länger am Markt sind, werden für einen angestrebten Turnaround nicht selten Unternehmensteile veräußert. Hier steht die IT vor der Frage, welche Daten und Systeme mitverkauft werden. „Die saubere Trennung ist eine enorme Herausforderung“, konstatiert Bernd Tschernitschek. „Damit tut sich mancher Verkäufer schwer.“ Aber auch viele Käufer haben vor allem mit dem sogenannten Carve-out zu kämpfen, denn bei einer solchen Ausgliederung zu einer rechtlich selbstständigen Einheit, dürfen nur die Daten aus dem Unternehmensteil herausgelöst werden, die im Rahmen des Kaufvertrags vereinbart wurden. Da passiert schnell mal ein Fehler, der juristisch relevant werden kann.  

    Thomas Fuchs, Hamburgischer Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, sagt: „Es ist sicherzustellen, dass Datenübertragungen im Rahmen eines Carve-out unter Beachtung der Datenschutzgrundverordnung erfolgen.“ Bekannt geworden sind Fälle, in den Patente und Forschungsergebnisse „aus Versehen“ im Rahmen des Carve-outs verlagert wurden. Der Expleo-CIO warnt zudem davor, die IT-Trennung und erneute Harmonisierung der Systeme auf die leichte Schulter zu nehmen. „Oberste Priorität müssen die einheitliche Informationssicherheit und der Datenschutz haben. Das ist nicht über Nacht zu erledigen.“  

  • Die IT auf dem Prüfstand

    Bei der Restrukturierung notleidender Betriebe wird nicht selten die Axt auch an die IT selbst gelegt. So manches Unternehmen hat schon den Todesstoß durch unbedachte Kürzungen im IT-Bereich bekommen. Vor allem, wenn diese nach der „Rasenmähermethode“ vorgenommen werden – „jede Abteilung muss 20 Prozent Kosten einsparen“ – kann das die Schieflage des Betriebs noch verschärfen. Deshalb sollte im IT-Bereich – wie in allen anderen betrieblichen Bereichen auch – zunächst einmal ermittelt werden, welche Maßnahmen kurzfristig zur Entspannung der Liquiditätssituation des Unternehmens beitragen, ohne dass dadurch das operative Geschäft beeinträchtigt wird. Dafür ist Kostentransparenz das A und O. Es folgt die Analyse der Aufgaben der Techie-Mannschaft. Sind im IT-Bereich Aufgaben angesiedelt, die besser den Fachbereichen zugeordnet werden sollten? Danach sollte man die Möglichkeit einer Auslagerung prüfen, aber auch über Leasing und andere Formen der Finanzierung nachdenken, die das Working Capital schonen. 

    Nach der kurzfristigen kommt die mittelfristige Betrachtung möglicher IT-Restrukturierungsmaßnahmen. Soll die IT zur nachhaltigen Sanierung des Unternehmens beitragen, muss gewährleistet werden, dass die altbekannten IT-Probleme nicht erneut auftauchen. In der Praxis bewährt hat sich ein Viersprung: Zunächst wird das Projektportfolio bereinigt, denn in den meisten Unternehmen herrscht ein buntes Durcheinander von unkoordinierter, ressourcenverschwendender Parallelarbeit. Dazu überprüfen IT-Verantwortliche am besten zunächst die Zusammenarbeit mit den Fachbereichen. Kosten und Nutzen der Projekte sind gegenüberzustellen und deren operative oder strategische Bedeutung für das Unternehmen zu verifizieren. Projekte, die dieser Überprüfung nicht standhalten, werden eingestellt.  

    Danach kommt die Überprüfung des Lieferantenportfolios. Hier führt man idealerweise für Hardware- und Softwarelieferanten, Telekommunikationsdienstleister und externe IT-Berater ein Vertragsaudit. Brauchen wir noch jeden Kontrakt? Ist noch jeder Tarif, den wir zahlen, angemessen? Dritter Sprung ist die Verankerung von Dienstleistungsmentalität und Kostenbewusstsein im IT-Bereich. Dafür gilt es, klare Regeln und Prozesse zu schaffen. Flankiert werden diese Maßnahmen häufig durch das Aufstellen von Service Level Agreements und die Einführung von internen Verrechnungspreisen für IT-Dienstleistungen. Und schließlich muss die IT-Strategie an die veränderte Unternehmenssituation angepasst werden. Neue Geschäftsstrategie gleich neue IT-Strategie. Welche Abteilungen brauchen künftig verstärkt IT-Unterstützung? Auch hier sollten wieder IT-Leitung und Geschäftsleitung Doppelpass spielen. Wo das nicht gut funktioniert, kann eine temporäre Unterstützung durch spezialisierte externe Dienstleister hilfreich sein.  

Hilfreicher Blick von außen 

Damit eine Restrukturierung gelingt, kann externe Unterstützung helfen. Laut Daniel Müller, Partner beim Hamburger Provider Management Angels, werden Führungskräfte auf Zeit beauftragt, weil … 

1.

… Interim Manager oft über einen größeren Erfahrungsschatz mit Restrukturierungen verfügen. „Bei keiner Managementaufgabe ist Erfahrung so wichtig wie bei Restrukturierungen.“  

2.

… es Führungskräften in den Unternehmen aufgrund ihrer Historie manchmal schwerfällt, Gewohnheiten zu durchbrechen. „Sie neigen dazu, alte Verhaltensmuster beizubehalten.“  

3.

… eine zupackende Art, Einfühlungsvermögen, Entscheidungs- und Durchsetzungsstärke gefragt sind. Restrukturierungen erfordern häufig rigorose Entscheidungen. „Die können Interim Manager besser durchsetzen.“   


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Jürgen Hoffmann
Bildnachweis: XH4D / Getty Images



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