Creditreform Magazin

Orientierung im Gesetzesdschungel

Die Sache ist kompliziert, das lässt bereits der Name ahnen: Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Viele kleine und mittelgroße Unternehmen sind unsicher, welche Herausforderungen damit für sie verbunden sind. Creditreform will dazu beitragen, die Belastungen gering zu halten.

In Borna schauen die Menschen lieber nach vorn als zurück. Mehr als 150 Jahre war die Stadt durch den Braunkohleabbau geprägt. Nach der Flutung der Tagebaugebiete sieht sich Borna heute als „familienfreundliche und naturnahe Kreisstadt inmitten des Leipziger Neuseenlandes“. Gut möglich, dass der 20.000-Einwohner-Ort bald aus einem weiteren Grund bekannter wird. Borna ist seit Jahres­beginn 2023 Außenstelle des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) für die Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG). Die Mitarbeiter überprüfen, ob Unternehmen alles tun, um in ihren Lieferketten Menschenrechtsverletzungen und Schädigungen der Umwelt zu vermeiden. Sie veranlassen Kontrollen und sprechen bei Verstößen Strafen aus.

Rund um das LkSG befindet sich vieles noch im Aufbau. Aber der Anfang ist gemacht. Seit dem 1. Januar dieses Jahres sind inländische Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Menschenrechte und Umweltstandards in ihrer Lieferkette eingehalten werden. Unmittelbar betroffen sind zunächst etwa 900 Unternehmen in Deutschland. Mit Jahresbeginn 2024 wird sich der Kreis der Verpflichteten auf alle erweitern, die mehr als 1.000 Beschäftigte zählen. Das sind gut 4.800 Unternehmen.

Nicht nur die Großen

Auch kleinere Betriebe können sich nicht entspannt zurücklehnen. Viele von ihnen sind zumindest mittelbar betroffen, etwa als Zulieferer eines gesetzlich verpflichteten Unternehmens. „Der Wissensstand ist bei Mittelständlern sehr unterschiedlich. Viele sind unsicher, welche Anforderungen das LkSG an sie stellt und wie sie diesen nachkommen können. Das führt dazu, dass sie zunächst einmal abwarten, anstatt das Thema proaktiv anzugehen“, beobachtet Benjamin Spallek, Managing Director bei der Creditreform Compliance Services GmbH.

Das BAFA hat eine Reihe von Handreichungen und Hilfestellungen zur Einhaltung des Gesetzes herausgegeben. Auch das Informationsportal der Bundesregierung sowie der KMU Kompass, den der Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) entwickelt hat, informieren über die Umsetzung der Sorgfaltspflichten. „Allerdings ist vielen Mittelständlern, die als Zulieferer eines dem LkSG verpflichteten Unternehmens mittelbar betroffen sind, nicht klar, welche Informationen in diesem Zusammenhang relevant sind“, sagt Sabrina Kuss, Projektmanagerin ESG bei Creditreform.

Creditreform plädiert deshalb dafür, die Anforderungen an kleine und mittlere Unternehmen (KMU) auf das Notwendigste zu beschränken. Das heißt, die Datenerhebung bei den mittelbar betroffenen KMU auf die wesentlichen Informationen zu reduzieren, die seitens der verpflichteten Unternehmen zur Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten benötigt werden. Denkbar ist etwa der Einsatz von Checklisten, die die im LkSG thematisierten Rechtsgüter abdecken. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Verbote von Kinderarbeit, Sklaverei und Zwangsarbeit oder die Achtung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Aufgrund der hohen gesetzlichen Standards in Deutschland sollten diese Verhaltensvorgaben für die meisten inländischen KMU problemlos darstellbar sein.

ESG-Reporting als Vorbild

Auf der Suche nach einem Ansatz, der es Unternehmen erlaubt, mit möglichst geringem Aufwand relevante Informationen im Kontext des LkSG darzulegen, verweist Creditreform auf die Datenerhebung im ESG-Bereich. Auch dort gibt es eine Vielzahl von Fragebögen, Zertifikaten und Reportingverfahren, die häufig für Verwirrung sorgen und für die befragten Unternehmen zu hohem Aufwand führen. Deshalb arbeitet Creditreform daran, ESG-Daten standardisiert zu erheben und zentral bereitzustellen. „Wichtig ist, die Unternehmen dort abzuholen, wo sie sich vom Kenntnisstand befinden, sodass sie in die Lage versetzt werden, ihre Transparenz in Bezug auf ESG-Kriterien schrittweise zu erhöhen“, sagt Sabrina Kuss. Im ersten Quartal 2023 beginnt Creditreform mit einem „Basic-Fragebogen“ kleine und mittelgroße Unternehmen zu befragen. Er umfasst anhand von nur 15 Fragen die wichtigsten ESG-Datenpunkte. Ein ähnliches Vorgehen wäre auch für spezifische LkSG-Informationen denkbar. Im Laufe des Jahres sollen hierzu in das eigens entwickelte digitale Befragungstool weitere Fragebogenvarianten eingebunden werden.

Ergänzt um weitere im Creditreform-Verbund verfügbare Informationen, reichen diese Daten nach Einschätzung von Benjamin ­Spallek aus, um eine belastbare ­Risikoanalyse durchzuführen. Er sagt: „Bei aller Regulatorik steckt im Umgang mit dem LkSG auch eine große Chance. Alle, die das Thema offensiv angehen und kommunizieren, können im Wettbewerb punkten. Denn Nachhaltigkeit ist ein Trend, der bleibt.“


Empfindliche Strafen

Unternehmen, die Anhaltspunkte dafür haben, dass Zulieferer gegen Menschenrechte oder Umweltstandards verstoßen, müssen dort „anlassbezogen“ tätig werden. Dabei gilt nach Auskunft des BAFA das Prinzip der Angemessenheit: „Von Unternehmen wird nur verlangt, was ihnen angesichts ihrer Größe, der Art ihrer Geschäftstätigkeit oder ihrer Nähe zum Zulieferer möglich ist. Es wird nicht verlangt, alle identifizierten Herausforderungen gleichzeitig anzugehen, sondern dass sie sich zunächst auf die wesentlichen Risiken konzentrieren. Sollte es trotz aller (angemessenen) Bemühungen doch zu einer Menschenrechtsverletzung in der Lieferkette kommen, kann das Unternehmen nicht belangt werden."

Wer den aus dem LkSG resultierenden Pflichten nicht nachkommt, dem droht ein Bußgeld von bis zu acht Millionen Euro oder bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes. In Abhängigkeit von der Höhe des Bußgeldes können Unternehmen auch bis zu drei Jahre von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden.

Nützliche Links:

 

Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Stefan Weber



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