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Too big to fail?

Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland ist im ersten Halbjahr 2020 zurückgegangen. Fast 10 Prozent weniger Insolvenzverfahren gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres – wie ist das in der Krise möglich?

Eine entscheidende Rolle spielt die Aussetzung der Insolvenz-Antragspflicht für Unternehmen, die durch Covid in eine akute Zahlungs- und Schuldenkrise geraten sind. Aber nicht alle Betriebe konnten sich zunächst vor der Insolvenz in eine trügerische Sicherheit bringen. Große Unternehmen – und bekannte Namen – sehen sich gezwungen, die Eigenverwaltung und das Schutzschirmverfahren zu nutzen.

Bekannte Namen …

Den größten Schaden hat der Zusammenbruch von Wirecard ausgelöst. Dabei ist allerdings anzumerken: Wie bei vielen Großinsolvenzen der Vergangenheit auch, waren hier kriminelle Machenschaften im Spiel. Wenn von 5.300 betroffenen Mitarbeitern und einem Umsatz von über zwei Mrd. Euro die Rede ist, so ist dieser Schaden nicht von der Pandemie verursacht und auch nicht die Folge einer schwächeren Konjunktur. Der Fall wirft viel mehr Fragen auf, ob die Aufsicht verantwortlich gehandelt hat und ob Prüfungen bei Unternehmen dieser Größenordnung nicht neu aufzustellen sind.

Zwei weitere große Insolvenzen im Frühjahr 2020 sind ebenfalls nicht vom Shutdown ausgelöst worden, sondern vielmehr durch die Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung zugespitzt worden, so dass das Aus nun unvermeidlich wurde. Galeria Karstadt Kaufhof war bereits seit einiger Zeit in Schwierigkeiten als der Verkauf im April dann endgültig stockte. Seit Jahren kommt das Warenhaus nicht aus den roten Zahlen, das Unternehmen hat sich nun unter einen Schutzschirm gerettet.

Auch die Restaurantkette Vapiano hatte bereits lange wirtschaftliche Schwierigkeiten. Zu schnell war das Unternehmen gewachsen, als dann auch noch die Läden dichtmachen mussten, führte kein Weg am Insolvenzantrag vorbei. Ein weiteres Opfer der aktuellen Corona-Wirtschaftskrise ist der Personaldienstleister Yuman Elko aus München. Er war spezialisiert auf die Branchen Gastronomie und Events, die nicht mehr stattgefunden haben.

… und schwierige Branchen

Die Durststrecke durch die Schließung im Zeichen der Virus-Bekämpfung haben auch bei Textilhändlern für das vorläufige Aus gesorgt. Dabei war die Firma Sinn bereits angeschlagen, ebenso wie die Bekleidungskette Hallhuber, die als Tochter von Gerry Weber keinen leichten Stand im Einzelhandel hatte. Hinzu kommt die Modemarke Esprit, die Ende März Gläubigerschutz beantragte und nun in Eigenverwaltung hofft, sich neu aufstellen zu können.

Der Umsatz- und Absatzeinbruch der Autoindustrie in Deutschland ist einmalig. Dieser Einbruch hat auch bei Zulieferern für Probleme gesorgt. Das reicht vom großen Volkswagen-Händler Auto Wichert über den Automobilzulieferer Veritas bis zur ARWE Group, die für Automobil-Vermieter Serviceleistungen erbringt. Die Hoffnung ruht auf der Eigenverwaltung.

Hinter den bekannten Namen verbergen sich Größenstrukturen, die deutlich machen, wie sich das Insolvenzgeschehen aktuell verändert hat: Im ersten Halbjahr 2020 sind deutlich mehr große Unternehmen von Insolvenz betroffen. Nach einer Auswertung der FalkenSteg GmbH haben sich im zweiten Quartal 2020 58 Insolvenzen von großen Unternehmen mit einem Umsatz von über 20 Mio. Euro gemeldet. Dabei handelt es sich in 27 Fällen um Regelinsolvenzverfahren – immerhin können 31 Betroffene auf einen Turnaround über eine Eigenverwaltung hoffen. Betriebe, die einen Umsatz von über 100 Mio. Euro registrieren, sind im ersten Halbjahr 2020 in 28 Fällen zu zählen – ein Wert, der darauf schließen lässt, dass die Zahlen der letzten Jahre in diesem Größensegment zum Jahresultimo deutlich übertroffen werden. So war es zuletzt 2012 zu 33 Insolvenzen in dieser Größenordnung gekommen.

Große Unternehmen – große Schäden

Auch Creditreform hat in der Halbjahres-Analyse 2020 eine Zunahme von Insolvenzen vor allem in der Umsatzgrößenklasse von 25 bis 50 Mio. Euro feststellen können. Hier waren 80 Betriebe betroffen – im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es noch 60 (Steigerung um ein Drittel). Deutlich rückläufig waren die Zahlen bei den Kleinunternehmen. So waren Betriebe mit einem Umsatz von unter 250.000 Euro zu 15 Prozent weniger als im Vorjahr zur Insolvenz gezwungen. Wie diese Mikro-Betriebe von der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht profitieren, zeigt beispielhaft das Gastgewerbe: Das Statistische Bundesamt meldete im Mai 164 Betroffene, im Mai des Vorjahres waren es noch 185 Gastronomen.

„Too big to fail“ – das war einmal. In der aktuellen Krise retten sich viele Kleinbetriebe, während manchem Großunternehmen die Luft ausgeht.



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