Welche Steueränderungen kommen (könnten)
Bundestag und Bundesrat werden Anfang 2024 voraussichtlich das Wachstumschancengesetz verabschieden. Es soll rückwirkend zum Jahreswechsel in Kraft treten, die Wirtschaft entlasten und steuerliche Anreize für Investitionen setzen. Worauf sich Unternehmen einstellen können.
Wird was lange währt, auch endlich gut?Die Unternehmen in Deutschland hoffen es – und bleiben doch skeptisch. Die Rede ist vom sogenannten Wachstumschancengesetz. Das Regelwerk sieht viele Steueränderungen vor, die auch kleine und mittlere Betriebe kennen sollten. Doch wie ist der Stand der Dinge und auf welche Maßnahmen und Förderungen können sich Unternehmen voraussichtlich einstellen?
Nach langem Hin und Her hatte der Bundestag den Entwurf der Bundesregierung am 17. November 2023 verabschiedet. Der SPD-Abgeordnete Michael Schrodi wertete das Gesetz als „gutes Signal für Arbeitsplätze und Zukunft“. Die Förderung des Wohnungsbaus sei ein „Booster“ für bezahlbares und energieeffizientes Wohnen. Markus Herbrand von der FDP lobte die verbesserten Abschreibungsbedingungen und leichteren Steuerregeln, kritisierte aber auch die neuen Anzeigepflichten von Steuergestaltungen. Er sprach in diesem Zusammenhang von einem „Bürokratiemonster“. Für die Opposition leiste das Gesetz im Kampf gegen die Strukturschwächen in Deutschland nur einen „Beitrag im Mikro-Bereich“, wie es Mathias Middelberg, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Haushalt und Finanzen, formulierte.In trockenen Tüchern war das Gesetz aber auch zum Redaktionsschluss am 16. Januar noch nicht. „Weil der Beschluss die zahlreichen Änderungsvorschläge des Bundesrats aus dessen ausführlicher Stellungnahme nur punktuell übernommen hat, verwies die Mehrheit der Länder das Gesetzesvorhaben am 24. November in den Vermittlungsausschuss“, sagt Roland Speidel, Rechtsanwalt und Steuerberater bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO. Seinen Ausführungen zufolge zeige das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Haushaltsführung auch hier Wirkung.
Bekanntlich hat das oberste deutsche Gericht am 15. November 2023 das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar und nichtig eingestuft. Hintergrund: Die Ampelkoalition wollte im Jahr 2021 nicht benötigte notlagenbedingte Kreditermächtigungen in nachfolgenden Haushalten ohne Anrechnung auf die Schuldenbremse weiter nutzen. Den Verfassungshütern zufolge widerspricht das den Geboten der Jährlichkeit und Jährigkeit. In der Folge stand bis mindestens Mitte Januar der Bundeshaushalt 2024 nicht fest.
Damit wurde auch der Vermittlungsausschuss zum Wachstumschancengesetz auf Januar vertagt und es war klar, dass das Regelwerk erst Anfang 2024 beschlossen wird. Die Regierung hat allerdings einige Punkte daraus in das Kreditzweitmarktförderungsgesetz geschoben, das am 29. Dezember im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde (siehe Kasten). Ein Großteil der Regelungen des Wachstumschancengesetzes soll rückwirkend zum 1. Januar in Kraft treten, sobald sie beschlossen sind. Wichtige geplante Änderungen des Wachstumschancengesetzes sind:
Investitionsprämie für Klimaschutz
Damit erhalten Unternehmen bei Aufwendungen für Energieeffizienzmaßnahmen Anreize in Form von Zuschüssen. Begünstigt sind insbesondere die Anschaffung oder Herstellung eines beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens. „Die Prämie kann nur in Anspruch genommen werden, wenn die förderfähigen Aufwendungen mindestens 5.000 Euro betragen“, erklärt Speidel. Sie beträgt im Förderzeitraum bis Ende 2029 maximal 30 Millionen Euro und wird nur auf Antrag gewährt.
Degressive Abschreibung
Wiedereinführung einer Option zur degressiven Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Zeitfenster nach dem 30. September 2023 bis zum 31. Dezember 2024 angeschafft oder hergestellt wurden. Dabei darf die degressive Absetzung für Abnutzung (AfA) vom jeweiligen Buchwert (Restwert) höchstens das 2,5-Fache des linearen Satzes betragen und 25 Prozent nicht übersteigen.
50-prozentige Sonderabschreibung
Unter bestimmten Voraussetzungen dürfen Unternehmen bei der Anschaffung von beweglichen Gegenständen des Anlagevermögens rückwirkend zum 1. Januar 2024 neben der regulären Abschreibung eine 50-prozentige Sonderabschreibung gewinnmindernd gelten machen. Bisher lag diese Quote bei 20 Prozent. Sofern auch diese Regelung verabschiedet wird, ist eine Abschreibung von bis zu 75 Prozent im ersten Jahr möglich.
Höhere GWG-Grenze
Es ist vorgesehen, den Betrag zur Sofortabschreibung eines geringwertigen Wirtschaftsguts (GWG) von 800 auf 1.000 Euro anzuheben. Alternativ zum Sofortabzug können Unternehmen wie bisher nach der Sammelpostenmethode abschreiben. Die Grenze hierfür soll von 1.000 auf 5.000 Euro steigen. Zudem soll die Auflösung des Sammelpostens künftig nicht mehr über fünf Jahre, sondern über drei Jahre erfolgen.
Förderung des Wohnungsbaus
Speziell zur Förderung des Wohnungsbaus soll die Inanspruchnahme einer geometrisch-degressiven Abschreibung für Wohngebäude in fallenden Jahresbeträgen zu 6 Prozent vom jeweiligen Buchwert (Restwert) ermöglicht werden. Voraussetzung ist, dass mit der Herstellung des jeweiligen Wohngebäudes nach dem 30. September 2023 und vor dem 1. Oktober 2029 begonnen wurde, beziehungsweise wird. Für Anschaffungsvorgänge gelten diese Daten bezüglich des obligatorischen Vertrags.
Dreijähriger Verlustrücktrag
Der während der Corona-Pandemie auf zwei Jahre erweiterte Verlustrücktrag soll um ein Jahr ausgedehnt werden. Vorgesehen ist des Weiteren, dass der Verlustrücktrag 2024 und 2025 unverändert 10 Millionen Euro für Ledige beziehungsweise 20 Millionen Euro für zusammen veranlagte Steuerzahler betragen darf. Ab 2026 sollen es dann 5 Millionen beziehungsweise 10 Millionen Euro sein.
Neuregelung zum Verlustvortrag
In Bezug auf die Nutzung von Verlustvorträgen soll bei der Mindestgewinnbesteuerung die Prozentgrenze von 60 auf 75 Prozent temporär für die Jahre 2024 bis 2027 angehoben werden. Die Regelung soll unverändert für Verlustvorträge gelten, die über den Sockelbetrag von 1 Million Euro für Ledige beziehungsweise 2 Millionen Euro für zusammen veranlagte Paare hinausgehen.
Bürokratische Erleichterungen
Der Schwellenwert für die umsatzsteuerliche Ist-Besteuerung soll um 200.000 auf 800.000 Euro steigen. Zudem soll sich die Grenze für die Befreiung von der Abgabe von vierteljährlichen Umsatzsteuervoranmeldungen auf 2.000 Euro verdoppeln. Außerdem sollen Kleinunternehmer nach § 19 UStG bereits rückwirkend für 2023 keine Umsatzsteuererklärung mehr beim Finanzamt einreichen müssen.
Des Weiteren sieht das noch zu verabschiedende Wachstumschancengesetz höhere Schwellenwerte für die Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG vor. Betriebe müssten dann ab 2024 eine Bilanzierung erst vornehmen, wenn der Umsatz 800.000 Euro oder der Gewinn 80.000 Euro übersteigt. Bisher lagen die Grenzen bei 600.000 Euro und 60.000 Euro. Tipp: Mitunter ist es für ein Unternehmen sinnvoll, einen Antrag beim Finanzamt auf Rücknahme einer Aufforderung zur Bilanzierung zu stellen. Weitere Änderungen sind eine von 35 auf 50 Euro erhöhte Freigrenze für Geschenke sowie höhere Verpflegungspauschalen bei betrieblichen Reisen im Inland.
Die hier beschriebenen Regelungen bringen für Unternehmen die eine oder andere spürbare Verbesserung, müssen aber noch vom Bundestag verabschiedet werden.
Kurzfristig ausgelagert
Der Gesetzgeber hat kleinere Bestandteile des Wachstumschancengesetzes in das Kreditzweitmarktförderungsgesetz ausgelagert, das am 29. Dezember 2023 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde. Folgende Änderungen sind seitdem in Kraft:
► Verzicht auf Besteuerung der „Dezemberhilfe“ (Energiekostenentlastung).
► Verschiebung des Datenaustauschs zwischen Unternehmen der privaten Kranken- und Pflegeversicherung, der Finanzverwaltung und Arbeitgebern auf Anfang 2026.
► Berücksichtigung im Lohnsteuerabzugsverfahren von Beitragsermäßigungen in der sozialen Pflegeversicherung für Kinder.
► Änderung der sogenannten Zinsschranke im Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz aufgrund einer EU-Richtlinie.
► Anpassungen, die infolge des Inkrafttretens des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) zum 1. Januar 2024 erforderlich waren.Quelle: BDO, Lexware
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Stefan Terliesner
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