Insolvenzen – noch rückläufig
Einige Insolvenzen, etwa von Gerry Weber, der Fluggesellschaft Germania oder dem Möbelhaus Habitat, sorgten im ersten Halbjahr 2019 für Schlagzeilen.
Aber läuten diese medienwirksamen Pleiten tatsächlich eine Wende bei den Unternehmensinsolvenzen ein? Tatsächlich waren die Insolvenzen – sowohl bei den Verbrauchern als auch bei den Unternehmen – im den ersten sechs Monaten des Jahres 2019 weiter rückläufig. So verringerte sich die Gesamtzahl der bei den Gerichten vorliegenden Insolvenzanträge um 3,1 Prozent auf 54.300 Fälle (erstes Halbjahr 2018: 56.050). Vor dem Hintergrund einer immer noch hohen privaten Überschuldung nahmen die Verbraucherinsolvenzen dennoch um 2,6 Prozent ab – in den ersten sechs Monaten waren 33.400 private Verbraucher betroffen. Entscheidend aber ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen: Hier war nur noch ein leichter Rückgang um 0,4 Prozent auf 9.900 Fälle zum Ultimo des ersten Halbjahres zu registrieren. Immerhin verringerte sich die Zahl der „sonstigen Insolvenzen“ um 7 Prozent auf 11.000 Fälle. In diesem Bereich sind nicht nur Vereine oder Stiftungen verzeichnet, sondern auch Kleinstinsolvenzen von Gewerbetreibenden, die keine Mitarbeiter beschäftigen und nur eine kleine Zahl von Gläubigern vorweisen.
Große Insolvenzen sorgen für Arbeitsplatzverluste
Keine Insolvenz ohne Schäden für die Gläubiger. Im Berichtszeitraum summierten sich die Ausfälle auf rund 14,6 Mrd. Euro – immerhin ein Minus gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 2,0 Prozent (14,9 Mrd. Euro). Einen großen Teil der Schäden schaffen ältere Unternehmen, die mindestens zehn Jahre am Markt waren. Naturgemäß handelt es sich hier vielfach um größere Insolvenzen, wie die eingangs genannten Beispiele zeigen. Anzumerken bleibt im Zusammenhang mit den finanziellen Ausfällen, dass die tatsächliche Schadenssumme wohl deutlich höher liegt. So werden einige Forderungen gar nicht einbezogen, weil sie nicht angemeldet werden. Auf der anderen Seite gilt – gerade für größere Insolvenzen –, dass die Möglichkeiten des Insolvenzverfahrens zur Sanierung, etwa in Eigenverwaltung, immer stärker genutzt werden und so für die Gläubiger bessere Quoten erzielt werden.
Aber es sind nicht nur die Forderungsausfälle, die für Schäden sorgen, sondern auch die Verluste von Arbeitsplätzen. Auszugehen ist im ersten Halbjahr 2019 von rund 120.000 bedrohten Arbeitsplätzen. Dabei ist auffällig, dass es gegenüber dem Vorjahreszeitraum (108.000 Arbeitsplätze) einen Anstieg der Arbeitsplatzverluste um mehr als 11 Prozent gab. Auch hier sind wieder die großen Insolvenzen verantwortlich, bei denen gleich mehrere 1.000 Mitarbeiter betroffen waren. Ein Phänomen, das in einer von Rückgängen geprägten Unternehmenslandschaft schon mehrfach zu beobachten war. So registrierte man einen Anstieg der Anzahl betroffener Arbeitnehmer im Jahr 2012 durch die Arbeitsverluste im Zuge der Schlecker-Insolvenz.
Wieder größere Fälle – ein Menetekel?
Noch eine Auffälligkeit lässt sich 2019 bei den Insolvenzen im Hinblick auf die Rechtsform feststellen: Mit einem Anteil von fast 12 Prozent ist die UG prominent vertreten. Kritik an dieser haftungsbeschränkten Rechtsform, die einmal als kleine GmbH installiert wurde, reißt in diesem Zusammenhang also nicht ab.
Insolvenzen sind ein Spiegel des konjunkturellen Gesamtgeschehens. Und die Wirtschaftsbereiche, die von Insolvenzen betroffen sind, geben einen Hinweis, dass die aktuellen Befürchtungen im Hinblick auf konjunkturelle Rückgänge durchaus berechtigt sind. So hat das Verarbeitende Gewerbe – an sich ein Hort von Unternehmensstabilität – gegen den Trend ein Plus von 1,4 Prozent vorzuweisen. Im Vorjahr hatte sich das Insolvenzgeschehen in diesem zentralen Sektor noch rückläufig entwickelt – zwar sind es „nur“ 720 Unternehmen, die den Weg zum Insolvenzrichter antreten mussten, doch finden hier die rückläufigen Exportquoten und die Probleme der deutschen Industrie insgesamt ihren Widerhall. Nur bei den Dienstleistern, die den Löwenanteil bei den Unternehmensinsolvenzen halten, gab es ebenfalls ein hauchdünnes Plus: Von 5.610 Betroffenen im Vorjahr stieg die Zahl auf 5.660 Unternehmen (plus 0,9 Prozent).
Verarbeitendes Gewerbe und Dienstleister bilden die beiden Pole der Unternehmensinsolvenzlandschaft: Im Verarbeitenden Gewerbe sind die Insolvenzquoten am geringsten, im Dienstleistungsbereich ist die absolute Zahl der Betroffenen am höchsten. Apropos Insolvenzquote: Während das Verarbeitende Gewerbe nur von 34 Zusammenbrüchen pro 10.000 Unternehmen betroffen ist, sind es im Baugewerbe 78 Pleiten pro 10.000 Betriebe. Auch wenn die Quoten im Zuge der Erholung des Insolvenzgeschehens sich verbesserten – insgesamt zeigen die Verhältnisse über die letzten Jahre hinweg wenig Veränderung.