Creditreform Magazin

LkSG bleibt ein schwerer Brocken

Klagen über mehr Bürokratie, höhere Kosten und große Sorgen, etwas falsch zu machen: Eine erste Zwischenbilanz zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz fällt ernüchternd aus. Immerhin werden vorläufig wohl keine hohen Bußgelder fällig.

Stefan Wolf, Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, war empört: „Vielleicht versteht die Bundesregierung nun, dass Unternehmen von der betrieblichen Praxis mehr verstehen als Abmahnvereine und Zertifikatehändler.“ Was Wolf so in Rage brachte, waren die Ergebnisse einer Umfrage, die sein Verband unter den Mitgliedsunternehmen der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro­industrie durchgeführt hatte. Die Firmen waren gebeten worden, erste Erfahrungen mit dem zu Jahresbeginn in Kraft getretenen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) zu Protokoll zu geben. Deren Rückmeldungen fasste Gesamtmetall in einem vernichtenden Satz zusammen: „Das Gesetz hat in nur fünf Monaten sämtliche Befürchtungen der betroffenen Unternehmen übertroffen.“ Kritisiert wurde von den Befragten vor allem der hohe bürokratische Aufwand, der zusätzliche Kosten verursache. Mittelständische Unternehmen rechnen der Umfrage zufolge mit Belastungen von rund 69.000 Euro pro Jahr, bei kleinen Unternehmen sind es knapp 30.000 Euro. Diese Kosten entstünden, weil zusätzliches Personal eingestellt werden müsse beziehungsweise mehr Geld für externe Dienstleister und den nochmaligen Ausbau des Compliance-Bereichs ausgegeben werden müsse.

Die Verunsicherung ist groß

Rechtsanwalt Lothar Harings, Partner der Kanzlei Graf von Westphalen, berät verschiedene Unternehmen insbesondere aus der Textilwirtschaft zu Sorgfaltspflichten in der Lieferkette. Er hält die von Gesamtmetall angeführten Kostenbelastungen für realistisch. „Wer ernsthaft alles daransetzt, um in seiner Lieferkette Menschenrechtsverletzungen und Schädigungen der Umwelt zu vermeiden, muss Personal mit entsprechender Expertise einstellen und sich in vielen Fällen auch externen Rat holen. Das lässt sich nicht nebenbei erledigen“, sagt er. Gerade jetzt, im ersten Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes, sei der Beratungsbedarf hoch: „Es gibt noch viele unbestimmte Rechtsbegriffe. Viele Unternehmen wissen nicht, welche Sorgfaltspflichten sie in welchen Zusammenhängen erfüllen müssen und wie sie bei möglichen Verstößen reagieren.“

Das LkSG gilt dem Wortlaut nach zunächst nur für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden; ab Jahresbeginn 2024 sinkt die Grenze auf 1.000 Beschäftigte. Tatsächlich sind jedoch schon jetzt auch sehr viele kleinere Firmen betroffen. Gesamtmetall spricht von 86 Prozent aller Mittelständler (mit 250 bis 999 Mitarbeitenden) und 70 Prozent aller kleinen Unternehmen (mit bis zu 249 Beschäftigten). Sie müssen sich ebenfalls mit den Anforderungen des Gesetzes befassen, weil ihre (größeren) Kunden entsprechende Nachweise verlangen. „Dies steht in bemerkenswertem Gegensatz zu den Beschwichtigungen der Bundesregierung, die im Gesetzgebungsverfahren keinerlei Kosten für die Unternehmen kommen sah und die nach wie vor erklärt, das Gesetz betreffe nur 900 Unternehmen in Deutschland“, heißt es bei Gesamtmetall.

Zum Ärger über noch mehr Bürokratie und höhere Kosten kommt die Sorge, nicht allen Anforderungen des LkSG gerecht zu werden und vom zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) mit hohen Bußgeldern belegt zu werden. Das Gesetz sieht Strafen von bis zu zwei Prozent des weltweiten Jahresumsatzes vor. Als Ende April Menschenrechtsorganisationen gegen die Händler Amazon und Ikea Beschwerde beim BAFA einreichten, rechneten Beobachter rasch hoch, welche Summen im Extremfall fällig werden könnten: etwa 800 Millionen Euro bei Ikea und bis zu zehn Milliarden Euro bei Amazon.

BAFA prüft mit Augenmaß

Lothar Harings hält es für ausgeschlossen, dass das BAFA seinen Ermessensspielraum bei der Festsetzung von Bußgeldern in naher Zukunft voll ausschöpft. „Das Amt hat mehrfach deutlich gemacht, dass es sich nicht zuvörderst als Bußgeldbehörde sieht, sondern vielmehr die Durchsetzung des LkSG in der Praxis erleichtern will. Bußgelder sind die Ultima Ratio und werden in nennenswertem Umfang sicherlich nur dann verhängt werden, wenn sich Unternehmen beharrlich weigern, ihren Pflichten nachzukommen.“ Wer sich dagegen erkennbar bemühe, die Anforderungen zu erfüllen, aber möglicherweise in einem Punkt noch zu wenig leiste, müsse nicht gleich eine hohe Bußgeldforderung fürchten. „In solchen Fällen dürfte es das Amt zunächst bei einem Hinweis belassen, wo nachgebessert werden muss“, meint Harings.

Überhaupt ist das BAFA nach seiner Beobachtung bisher mit Augenmaß vorgegangen. In Absprache mit der Politik seien die Prüfbefugnisse ein wenig zurückgenommen worden. Zudem sei bei der Berichtspflicht eine Schonfrist eingeräumt worden. Tatsächlich hat das BAFA angekündigt, erst zum Stichtag 1. Juni 2024 prüfen zu wollen, ob entsprechende Berichte vorliegen und auf den Internetseiten der Unternehmen veröffentlicht werden.

Gleichwohl offenbaren Umfragen, insbesondere in der Textilindustrie, in deren Lieferketten in der Vergangenheit häufiger Menschenrechtsverletzungen beklagt wurden, große Unsicherheit über den Umgang des BAFA mit Beschwerden. Stellt zum Beispiel die Nicht-Unterzeichnung des „Bangladesh Accord“, eines Abkommens, das die Sicherheit in den Textilfabriken des Landes verbessern soll, bereits einen Verstoß gegen das LkSG dar? Menschenrechtsorganisationen bejahen dies, Experte Harings hält dagegen: „Der Bangladesh Accord ist nur eine von mehreren geeigneten Präventivmaßnahmen.“ Manches Unternehmen fürchtet, dass das Amt Exempel statuiert, um deutlich zu machen, dass es nicht zu viel Nachsicht walten lässt. Zweifel und Ungewissheit im Umgang mit dem Gesetz werden so nicht kleiner werden. Auch deshalb nicht, weil die Anfang Juni vom EU-Parlament verabschiedete Version eines europäischen Lieferkettengesetzes in einigen Punkten noch strenger ist als die deutsche Fassung. Der Unmut hält also weiter an – und Beratern wie Lothar Harings wird die Arbeit so rasch nicht ausgehen.


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Stefan Weber
Bildnachweis:  DNY59 / Getty-Images