Mittelstand bleibt in der Krise vorerst stabil
Die Corona-Pandemie hat zu massiven Verwerfungen nicht nur bei der Gesundheit der Bevölkerung, sondern auch im wirtschaftlichen und öffentlichen Leben geführt. Vor allem der Shutdown, die Schließung von Geschäften und Betrieben, sorgte für einen Stillstand der Wirtschaft.
Auch wenn es im Mai zu den ersten Lockerungen kam, der Einzelhandel wieder öffnete und die Industrie-Produktion wieder vorsichtig hochgefahren wurde, so steht doch fest, dass diese Zäsur zu massiven Schädigungen geführt hat. Es bleibt die Frage, wie teuer uns der Stillstand zu stehen kommt.
Seit vielen Jahrzehnten führt Creditreform eine Befragung unter mittelständischen Unternehmen durch, die Aufschluss darüber gibt, wie sich die Situation im Hinblick auf die Konjunktur und die Finanzierungslage darstellt. Im Zeichen der Krise wurden die Unternehmen auch im März 2020 befragt.
Dabei zeigt der Creditreform Geschäftsklimaindex einen dramatischen Rückgang. Es sind vor allem die Geschäftserwartungen, die gelitten haben. Während die Bewertungen der aktuellen Lage einen Rückgang von 14,3 auf 4,7 Punkte registrierte, gab der Index bei den Geschäftserwartungen von 30,5 auf 10,8 Punkte nach – insgesamt lag der Geschäftsklimaindex bei nur noch 7,7 Punkten (2019: 22,2 Punkte). Dieser Wert ist nur noch vergleichbar mit dem aus dem Krisenjahr 2009. Der Creditreform Geschäftsklimaindex berücksichtigt die Angaben der Befragten zur Personalsituation, den Aufträgen und Umsätzen sowie zur Ertragslage. Diese Merkmale gilt es auch im Einzelnen zu betrachten, um das Ausmaß der Krise abschätzen zu können.
Schon im Herbst Rückgänge der Konjunktur
Die Einschätzungen der Mittelständler haben sich im vergangenen Winterhalbjahr insgesamt verschlechtert. Nur noch ein Viertel der Betriebe berichteten von einem Umsatzplus – ein weiteres knappes Viertel musste Umsatzeinbußen hinnehmen. Von diesen Umsatzrückgängen sind fast alle Wirtschaftsbereiche betroffen, nur der Bausektor registrierte weiter eine dynamische Umsatzentwicklung. Entsprechend dazu zeigte auch die Gewinnsituation Rückgänge. Positiv ist, dass immerhin die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen nicht nachgelassen hat. So konnten rund 21 Prozent der Betriebe angeben, dass sie neues Personal eingestellt haben, bei fast zwei Dritteln blieb der Mitarbeiterbestand zumindest auf dem Niveau des Vorjahres.
Für die Abschätzung der Folgen der Krise ist es wichtig, die Erwartungen der kleinen und mittleren Unternehmen ins Kalkül zu ziehen. Denn die Konjunktur hatte sich bereits im Herbst des vorigen Jahres abgeschwächt. Dies wurde auch von den mittelständischen Unternehmen zum Ausdruck gebracht.
Die Prognosen der Unternehmen haben sich im Hinblick auf die weitere Ertrags- und Umsatzentwicklung deutlich verschlechtert. Es sind nur noch 26,6 Prozent der Befragten, die mit einer höheren Zahl von Ordern für den Rest des Jahres rechnen. Im Vorjahr war es noch deutlich mehr als ein Drittel, das optimistisch auf die zukünftige Auftragssituation blickte. Hinzu kommt, dass jeder fünfte Befragte tatsächlich Rückgänge befürchtet.
Weniger Umsatz erwartet …
Fast verdreifacht hat sich die Zahl der Mittelständler, die für die Zukunft Umsatzrückgänge befürchten: Rund 18 Prozent äußerten sich pessimistisch – vor einem Jahr waren es nur gut 7 Prozent. Rückläufig war entsprechend auch der Anteil der Optimisten im Hinblick auf den Umsatz: Waren es im Vorjahr noch fast 40 Prozent, die sich zuversichtlich äußerten, so sind es aktuell nur noch knapp 30 Prozent. Es sind vor allem das Verarbeitende Gewerbe und der Handel (Einzelhandel), die von Umsatzeinbußen ausgehen.
Kann der Mittelstand, Deutschlands wichtigster Arbeitgeber, sich weiterhin als Hort der Stabilität für den Arbeitsmarkt erweisen? Nicht nur die aktuelle Situation bei der Beschäftigungslage der Betriebe, sondern auch die Zukunft ist von Solidität geprägt. So gibt fast ein Viertel der Betriebe an, auch im nächsten halben Jahr noch Personal einstellen zu wollen – einen Personalabbau planen derzeit nur 7,5 Prozent der Befragten.
… aber Investitionen stabil
Erwartungen sind immer von vielen Unwägbarkeiten bestimmt – die Aussagen bleiben letztlich unverbindlich und können sich im Verlauf der Krise sehr schnell wieder ändern. Investitionen dagegen sind ein besserer Gradmesser, wenn es um die Haltung der mittelständischen Betriebe im Hinblick auf die weitere wirtschaftliche Entwicklung geht. Wer investiert, ist zuversichtlich. Tatsächlich bleibt das Investitionsniveau auch für die nächsten sechs Monate auf dem Level des Vorjahres: Rund 53 Prozent der Befragten gaben an, im nächsten halben Jahr Geld für Maschinen und Ausrüstung in die Hand nehmen zu wollen. Im Vorjahr waren es nur knapp drei Prozentpunkte mehr. Ein kleiner Wermutstropfen: Rationalisierungsinvestitionen sind beliebter geworden – Erweiterungsinvestitionen werden ein wenig zurückgenommen.
Auch wenn die Erwartungen der Betriebe im Zeichen der Corona-Krise gelitten haben, sind sie insgesamt noch nicht von Pessimismus bestimmt. Der Mittelstand hat sich bei der großen Finanzkrise vor gut zehn Jahren als deutlich flexibler und weniger krisenanfällig erwiesen als viele Großunternehmen. Es bleibt zu hoffen, dass die kleinen und mittleren Unternehmen in der aktuell schweren Situation diese Beweglichkeit und Kreativität wieder zeigen werden. Die Aussagen der Betriebe zu Personalplanungen und Investitionen lassen jedenfalls hoffen.