Was beim Bankgespräch in Corona-Zeiten wichtig ist
Bevor Banken Kreditlinien ausweiten, verlangen sie detaillierte Informationen zum Geschäftsmodell und zum Projekt – quantitativ wie qualitativ. Unternehmer stresst das, auch weil ihre Planungen wegen Corona kaum valide sein können. Wie Firmenchefs dennoch anlassbezogen ihre Finanzierungen stemmen.
Harald Kostial gehört zu den solide aufgestellten Unternehmern. Trotz Corona-Krise hat er eine gute Portion eigenes Kapital und ausreichend liquide Mittel für sein Tagesgeschäft. Bisher kommt der Spediteur komplett ohne Darlehensfinanzierungen aus. Im Frühjahr, während des Lockdowns, wollte er vorsorglich einen KfW-Investitionskredit beantragen. Drei seiner Leasingverträge für Lkw laufen bald aus. Er will die Fahrzeuge übernehmen und braucht daher Kapital.
Also kontaktierte er eine der drei Banken, mit denen er bereits seit mehreren Jahrzehnten zusammenarbeitet. Der Firmenkundenbetreuer winkte gleich ab. Geförderte Kredite liefen prinzipiell über die Hausbank, die aber seien sie nicht. Kostial fragte nach, warum nicht und welche Voraussetzungen gegeben sein müssten. Der Sachbearbeiter definierte: Die Hausbank sei jenes Institut, über welches der Unternehmer den größten Teil seines Umsatzes abwickele. Da Kostial bei ihm nur auf knapp 29 Prozent komme, wäre er folglich der falsche Ansprechpartner.
Also ging der Spediteur zur zweiten Bank in seinem Portfolio. Prinzipiell ja, meinte die Mitarbeiterin. Allerdings bräuchte sie eine detailliert begründete Budgetplanung für 2020 und 2021. „Ich war irritiert. Wir fuhren auf Sicht. Eine solche Prognose mit Blick auf die nächsten zwei Jahre war zu diesem Zeitpunkt für mich unmöglich“, sagt Kostial.
Steiniger Weg zum Kapital
Ein Angebot erhielt er schließlich über den Finanzdienstleister FinCompare, der ebenfalls KfW-Kredite über verschiedene Banken vermittelt. „Die konnten das, obwohl sie uns vorher gar nicht kannten und obwohl wir hier nur die üblichen Unterlagen wie unsere aktuellen BWA, unsere letzten Gewinn- und Verlustrechnungen, unsere Bilanzen sowie alle technischen Daten zu den Lkw vorlegten“, sagt Kostial.
Der Fall ist typisch, wie Unternehmensberater bestätigen. „Die Kapitalgeber fordern momentan und vermutlich auch künftig Unternehmensplanungen häufiger ein und betrachten diese kritischer“, erklärt Christoph Rasche, Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft Carat Consult GmbH in Kirchhundem und Mitglied im Bundesverband Die KMU-Berater. Nach der aktuellen Studie „Finanzierungsmonitor 2020“ vom September dieses Jahres erfüllen viele Kreditinstitute derzeit nicht die Bedürfnisse der Unternehmen. Auch gaben 85 Prozent der befragten Firmen an, dass sie zu langsam ans Geld kommen.
Das hat Gründe: Die Banken unterliegen einem hohen Druck. Darlehensausfälle und Wertberichtigungen könnten ab diesem Herbst bis weit ins nächste Jahr hinein steigen, „was das Firmenkundengeschäft stark belastet. Die eigentliche Bewährungsprobe steht für beide Geschäftspartner noch bevor“, prognostiziert Rasche. Er befürchtet, dass die hohe Kreditnachfrage in der Nach-Corona-Phase auf eine zurückhaltende Vergabe der Banken treffen könnte. Firmenchefs müssten detaillierter als bisher darlegen, dass ihr Geschäftsmodell auch mit und nach Corona funktioniert. „Die Banken gehen nicht zwingend davon aus, dass bisher erfolgreiche Unternehmen künftig erfolgreich bleiben“, sagt Johannes Müller, Vorstandsmitglied des Fachverbands Finanzierung im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) und Geschäftsführer der Johannes Müller Wirtschaftsberatung in Bünde. Daher werden Kreditanträge sehr genau geprüft, was eine besondere Vorbereitung vonseiten der Unternehmer notwendig macht.
Investitionen und langfristige Kredite
Zum Beispiel bei Investitionen: Experte Müller rät dazu, für mindestens zwei Modellkonstellationen eine ausführliche Unternehmensplanung aufzustellen. Zunächst mal für den Optimalfall, dass die Krise perspektivisch für die nächsten drei Jahre keinen wesentlichen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung der Firma nimmt. Gefragt sein werden eine Vorausschau der Liquidität und der Rentabilität sowie der Bilanzentwicklung mit Blick aufs Eigenkapital. Darüber hinaus entwirft der Firmenchef das Szenario für eine pessimistische, negative Entwicklung. Unter welchen Prämissen welche Variante mit welcher Wahrscheinlichkeit eintritt, sollte plausibel erläutert und begründet werden.
Das wird nicht trivial sein. Unsichere Unternehmer können einen Berater einschalten. „Zum einen kann dieser die Lage professionell und neutral beurteilen. Zum anderen kennt er die Fachtermini der Geldinstitute. Ihm fällt es leicht, zum Beispiel die Unternehmensplanung und den Kreditantrag für den Banker mundgerecht vorzubereiten“, sagt Müller. Die Kreditgeber wollen ihr Risiko bei der ersten Sichtung einschätzen können.
„Wir stellen vor allem zum Geschäftsmodell mehr Fragen als vor Corona. Wir wollen es verstehen und Indizien dafür haben, dass es auch künftig funktioniert“, beschreibt Richard Böttcher, Unternehmenskundenbetreuer der Stadtsparkasse Lübeck, den Informationsbedarf der Geldinstitute. Transparenz und eine offene Kommunikation haben heute einen noch höheren Stellenwert als zuvor. „Unternehmer sollten aktiv auf ihren Firmenkundenbetreuer zugehen. Sie senden ihm unaufgefordert, am besten monatlich, ihre Betriebswirtschaftlichen Auswertungen und nehmen gleich Kontakt auf, falls ihre Planzahlen vom Soll abweichen“, rät Markus Hübner, Unternehmensberater mit Schwerpunkt Finanzierung in Hannover.
INTERVIEW
„Zwiespältiger Blick der Banken“
Christoph Rasche ist selbstständiger Unternehmensberater und Mitglied im KMU-Beraterverband. Er erklärt, welchen Einfluss die Corona-Krise auf die Erwartungen der Banken hat.
Herr Rasche, was ist in der Zusammenarbeit zwischen Bank und Unternehmer seit Corona anders?
Die Risikobereitschaft und die Fähigkeit zur Kreditvergabe der Geschäfts- und Regionalbanken nimmt ab. Darlehensvergaben im eigenen Haftungsobligo werden intensiver und kritischer geprüft. Darauf müssen sich KMU einstellen.
Wie sollten sich Firmenchefs verhalten, die jetzt einen Betriebsmittel- oder Investitionskredit brauchen?
Sie sollten zeitnah qualifizierte BWAs einreichen, aussagekräftige Planungsunterlagen und Plan-Ist-Abweichungsanalysen erstellen. Banken fällen Kreditentscheidungen insbesondere auch auf Basis finaler Jahresabschlussdaten. Den Jahresabschluss 2020 sollten Unternehmer zügig in Angriff nehmen und mit dem Steuerberater oder dem Wirtschaftsprüfer einen Zeitplan dafür abstimmen. Außerdem ist es gerade jetzt wichtig, an der eigenen Bonität zu arbeiten.
Inwiefern wirken sich solche Maßnahmen positiv auf kurzfristige und geförderte Finanzierungen aus?
Diese Maßnahmen stellen die Basis für eine positive Entscheidung der Banken dar. Auf Förderkredite haben sie momentan einen zwiespältigen Blick. Einerseits werden KfW-Zusagen, die nur darauf abzielen, eine Inanspruchnahme des zugesagten Kontokorrentrahmens zu reduzieren oder sogar gänzlich zu vermeiden, nicht gern gesehen. Andererseits stellen hoch in Anspruch genommene oder sogar überzogene Linien immer noch die höchsten Kreditrisiken dar. Viele Banken wollen daher stärker absichern. Unternehmer sollten darauf achten, nur Sicherheiten mit klar begrenztem, engem Zweck herauszugeben. Parallel sollten sie nicht mehr benötigte Sicherheiten zurückverlangen.
Sicherheiten selbst bei Förderkrediten
Schließlich agieren die Banken sehr risikoavers. Sicherheiten sind bei Investitions- und auch bei Betriebsmittelkrediten jeder Art wieder ein Thema. Unternehmensberater Müller gibt den Hinweis, grundsätzlich mit zwei Instituten zusammenzuarbeiten. Ziel sollte die Trennung der betrieblichen und der privaten Sphäre sein. Unternehmer hören oft Sätze von ihrem Firmenkundenbetreuer wie „Sie haben ja noch …“ oder „Wie sollen wir an das Projekt glauben, wenn Sie selbst nicht …“. Das seien typische Bemerkungen der Sachbearbeiter, um – selbst bei geförderten Krediten mit Haftungsfreistellungen – an private Sicherheiten zu kommen, sagt Müller.
Unternehmer Hartmut Springmann kennt solche Erwartungen. Im Frühjahr brauchte der Geschäftsführer der HS Fahrzeug- und Betriebseinrichtungen GmbH in Birkenfeld bei Pforzheim eine erweiterte Kontokorrentkreditlinie. „Wir hatten zwar Aufträge, bekamen aber während des Lockdowns keine Fahrzeuge geliefert. Deshalb konnten wir nicht arbeiten und die Kosten liefen weiter“, sagt Springmann. Der Mitarbeiter der Bank konnte ihm nur mit kurzfristig tolerierten Überschreibungen des Limits helfen. Eine generelle Erhöhung der Kreditlinie wollte er aufgrund der noch fehlenden Bilanz 2019 und coronabedingt hoher Arbeitsbelastung nicht zusagen. Im Vergleich zu anderen Kunden ginge es Springmann doch noch recht gut, so die Argumentation. Der Unternehmer schlug einen geförderten Kredit mit Haftungsfreistellung vor. Doch ohne umfangreiche Prüfungen und zusätzliche Sicherheiten – die er nicht erbringen konnte – war es nicht möglich, eine kurzfristige Lösung zu finden. Springmann fand schließlich online eine andere Bank.
Das zeigt: Offenbar agieren die Geldinstitute höchst unterschiedlich. Timm Wege, Chief Commercial Officer des Kreditvermittlers FinCompare in Berlin, sagt: „Jede Bank hat ihre eigene Kreditbewertung, selbst wenn es um von der KfW geförderte Darlehen mit Haftungsfreistellungen geht. Für die Unternehmer sind die jeweiligen Kriterien nur nicht transparent.“ Wobei sie keineswegs eine Geheimsache sind. Um daraus zu lernen, sollten Unternehmer also durchaus nachfragen, welche Parameter für eine Kreditentscheidung wie gewertet werden.
Förderkredite mitnehmen
Unternehmensberater Markus Hübner aus Hannover gibt Hinweise zu Förderkrediten.
1. Selbst recherchieren
Der Mitarbeiter der Bank ist kein Experte für Fördermittel. Unternehmer sollten selbst vorab nach einem passenden Angebot der Förderbanken suchen. Infos gibt es im Netz, zum Beispiel unter foerderdatenbank.de. Tipp: Unternehmensberater sollten kein Honorar dafür verlangen, wenn sie solche Fördermöglichkeiten aufzeigen.
2. Unterlagen vorbereiten
Businessplan und ausführlicher Finanzplan für das Projekt sind obligatorisch. Die gewählten Parameter der Vorausschau sind zu erklären. Die Bank will wissen, welche Veränderungen im Unternehmen sich durch Corona ergeben und wie man darauf reagiert.
3. Konditionen sichern
Bis Ende dieses Jahres bleiben die Konditionen für Förderkredite bei der KfW extrem günstig. Selbst Firmen mit einer schlechten Bonität zahlen unter 1,5 Prozent Effektivzins p.a. Deshalb kann es sich lohnen, geplante Anschaffungen vorzuziehen und vorzusorgen. Der Kredit muss nicht direkt abgerufen werden. Das Projekt kann sich bis ins nächste Jahr ziehen.
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Eva Neuthinger