Creditreform Magazin

Banken und Mittelstand: Bis dass der Kredit euch scheidet

Es knirscht zwischen Unternehmen und ihrer Hausbank. Erstere klagen über Bürokratie und lange Prüfprozesse. Banken wiederum vergeben Darlehen restriktiver, fordern häufiger Dokumente und Berichte. Wie finden sie wieder zueinander?

Fabrizio Sepe ist ein Bankkunde zum Vorzeigen: Der Inhaber des Serengeti-Parks im niedersächsischen Hodenhagen – mit 600 Mitarbeitern, jährlich 700.000 Besuchern, 29 Millionen Euro Umsatz und zwölf Prozent Gewinn eins der erfolgreichsten Tier- und Freizeitresorts Deutschlands – hat sein Firmenkonto seit sechs Jahren bei der Hamburger Sparkasse (HASPA). Mit ihr hat er auch in schlechten Zeiten gut zusammengearbeitet. Im vergangenen Herbst etwa, mitten in der Pandemie, brauchte Sepe 700.000 Euro für die Aufstockung des Verwaltungsgebäudes in der Lüneburger Heide.  „Das war kein Problem“, berichtet der Mittelständler. „Die HASPA hat das geprüft und bewilligt und sogar die Tilgung anfänglich ausgesetzt.“ Was ist sein Geheimnis für die gute Partnerschaft mit seiner Hausbank? „Offene Kommunikation und Kenntnisse bis ins kleinste Detail zum Unternehmen und Markt.“ Hinzu kommen Enthusiasmus und Power. Torsten Zimmer, sein Kundenberater sagt: „Wenn Herr Sepe uns gegenübersitzt und seine unternehmerischen Visionen vorträgt, funkeln seine Augen wie die eines Tigers.“   

Solche Beziehungen mittelständischer Unternehmen zu ihrer Hausbank gibt es. Aber es gibt auch andere, weniger gute. Verantwortlich für Risse in der Partnerschaft sind beide Seiten: Zum einen kontaktiert so mancher Firmenchef seine Bank nur sporadisch, oft erst dann, wenn er dringend finanzielle Hilfe braucht, etwa für eine größere Investition oder wenn die Liquidität schwindet. Dabei weiß (fast) jeder Unternehmer, dass eine gute Beziehung zur Hausbank immer von Vorteil ist – bei der Finanzierung des Tagesgeschäfts oder beim Sprung auf einen neuen Markt. Ebenfalls bekannt ist, dass Strategien und Konzepte behutsam entwickelt, aufgebaut und gepflegt werden müssen – und dass dafür stabile, vertrauensvolle Bankverbindungen Voraussetzung sind.

Die Hausbank: schwerfällig und bürokratisch 

Aber auch die Geldhäuser sind meist nicht unschuldig an einer schlechten Kundenbeziehung: Auch sie kümmern sich vielfach nicht um den kontinuierlichen Kontakt zur ihren Firmenkunden, bitten nicht um periodisch wiederkehrende Gespräche, reagieren zudem oft langsam, schwerfällig und bürokratisch. Die Studie „Finanzierungsmonitor 2020“ von Creditshelf hat ergeben, dass knapp 60 Prozent der Unternehmen einen Wechsel ihrer Hausbank erwägen oder schon vollzogen haben. Klar, die Regulierungsanforderungen an Banken und Sparkassen sind in den vergangenen Jahren gestiegen, entsprechend länger dauern die Prüfprozesse, entsprechend transparenter müssen Unternehmen agieren. Aber wie transparent sind die Banken? 

Ein Beispiel: Viele Geschäftsführer kleiner und mittlerer Betriebe beklagen, dass Banken Ablehnungen von Kreditanfragen gar nicht oder nur lapidar begründen. „Geben Sie sich damit nicht zufrieden“, rät Carl-Dietrich Sander, Unternehmerberater und Mitglied der Fachgruppe Finanzierung-Rating im Verband Die KMU-Berater. Schließlich könne man aus einer detaillierten Ablehnungsbegründung Lehren für die weitere Unternehmens- und Finanzierungsstrategie ziehen. Was kann ich künftig besser machen? Welche Punkte sind meiner Hausbank besonders wichtig? Sander verweist darauf, dass Geldhäuser, die dauerhaft mauern, einer Vereinbarung zuwiderlaufen, die 2017 auf Initiative der Europäischen Union mit allen kreditwirtschaftlichen Verbänden abgeschlossen wurde. Laut den „High level principles on feedback given by banks on declined SME credit applications“ haben mittelständische Firmenkunden das Recht auf eine genaue Auskunft des Kreditinstituts. Dem bleibt lediglich der Kommunikationsweg, mündlich oder schriftlich, freigestellt. 

Die HASPA, die rund 60.000 Firmenkunden hat – kleine Handwerksbetriebe, Existenzgründer, Mittelständler und Konzerne –, teilt nach eigenen Angaben jedem Kunden bereits mit der Ablehnung eines Kredits die Gründe dafür mit. „Das hat bei uns hohe Relevanz“, sagt Torsten Zimmer. „Wir führen im Nachgang häufig ein sehr ausführliches Gespräch mit dem Firmenchef, denn das gibt gerade KMU wertvolle Anhaltspunkte, an Verbesserungen zu arbeiten.“

Hilfe für pandemiegestresste Branchen 

Die 814 Genossenschaftsbanken, die es zwischen Nordsee und Alpen gibt, haben in ihrer Kundschaft einen hohen Anteil an kleinen und mittleren Betrieben. 2020 wurden Darlehen einschließlich staatlicher Förderkredite in Höhe von rund 665 Milliarden Euro gewährt. Damit habe man vor allem Firmen in den besonders pandemiegestressten Branchen wie Bekleidungseinzelhandel und Tourismus aus der Liquiditätsklemme geholfen, sagt Andreas Bley, Chefvolkswirt des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR). „Das zeigt, wie wichtig für Mittelständler eine zuverlässige, stabile Geschäftsbeziehung zur Hausbank vor Ort ist.“  Die Politik müsse jetzt „kluge Impulse für eine Stärkung der Eigenkapitalbasis des Mittelstands“ geben, schließlich seien Investitionen und Innovationen Dreh- und Angelpunkt einer gesunden volkswirtschaftlichen Entwicklung. Bley versichert, dass die Genossenschaftsbanken mit ihren Firmenkunden offen kommunizieren und jede Finanzierungsentscheidung, auch Ablehnungen von Kreditanträgen, „auf Nachfrage“ begründen, wie es die High level principles vorsehen. Warum aber erst auf Nachfrage?


„Eine zuverlässige, stabile Beziehung zur Hausbank ist für Mittelständler wichtig.“
Andreas Bley, BVR


Was erwarten mittelständische Unternehmenskunden von Banken? „Schnellere Prozesse“ ist eine Forderung, die fast alle Chefs nennen. Vor allem wünschen sie sich mehr Digitalisierung bei den Arbeitsschritten, die sie als Kunden erledigen müssen. Die Berliner Sparkasse (92.000 Firmenkunden) hat darauf reagiert, ermöglicht eine einfache digitale Eröffnung des Geschäftsgirokontos, stellt Firmen auf Wunsch auch einen Digitalisierungsberater zur Seite, um bestehende Geschäftsabläufe zu optimieren. „Mit einem Online-Check können kleine und mittelgroße Unternehmen kostenlos den eigenen Digitalisierungsstand ermitteln und sich anschließend zu Handlungsbedarf und konkreten Lösungen beraten lassen“, sagt ein Sprecher des Hauses. Um die Beziehungen zu den Kunden zu verbessern, wurden Firmen-Center eingerichtet, in denen Branchenexperten arbeiten, über die man „ein präziseres Kunden-Feedback“ bekommen will. 

Und was erwarten die Banken von Firmenkunden? HASPA-Berater Zimmer sagt: „Was beiden Seiten zugutekommt, ist ein offener und transparenter Umgang auf Augenhöhe. Denn nur, wenn wir wissen, dass ein Unternehmen beispielsweise gerade vor einer besonderen Herausforderung steht, können wir auch helfen. Man sagt ja auch seinem Arzt, wo es weh tut, und seiner Autowerkstatt, wo es quietscht.“

Mindestens einmal pro Jahr, so empfehlen Mittelstandsberater, sollten Bank und Firmenkunde miteinander sprechen – nicht zehn oder 15 Minuten, sondern ausführlich. Dabei geht es zum einen um den Blick in den Rückspiegel: Wie waren in den letzten Monaten die Zahlen? Welche angepeilten Meilensteine wurden erreicht, welche nicht – und warum nicht? Aus den Antworten ergibt sich die Frage: Welche Stellschrauben gilt es neu zu justieren? Und dann die Zukunft: Welche Pläne gibt es? Wohin soll die unternehmerische Reise gehen? Meistens reicht ein Forecast für neun bis zwölf Monate, längere Zeiträume sind Kaffeesatzleserei. 

Diese Banktermine eignen sich auch gut, Innovationsvorhaben strategisch anzukündigen. Wer aufbereitete aktuelle Unterlagen mitbringt, kann sogar erste Finanzierungsverhandlungen anstoßen. Fakt ist: Seinen Banker regelmäßig wahrheitsgemäß zu informieren, hat zur Folge, dass dieser bei Investitionen eher geneigt sein wird, dem Firmenchef Vertrauen auszusprechen, und dass er bei Fehlentwicklungen gewissenmaßen mit im Boot sitzt.

Abhängigkeit von der Hausbank sinkt

Eine Tatsache kann Mittelständler heute aber ruhiger schlafen lassen als noch vor 15 oder 20 Jahren: Die Abhängigkeit von den Hausbanken ist geringer geworden. Es gibt mittlerweile viele alternative Geldgeber. Das beginnt mit der KfW, die zwar auch eine (Förder-)Bank ist, aber wie die Deutsche Bundesbank kein Kreditinstitut im Sinne des Kreditwesengesetzes. Dadurch agiert sie anders als die Institute vor Ort. Zu Konkurrenten der klassischen Hausbanken haben sich auch Kreditplattformen wie Auxmoney, Funding Circle oder Kapilendo gemausert. Die digitalen Wettbewerber reagieren auf Anfragen schnell und informieren meist innerhalb von 48 Stunden, ob ein Kredit machbar ist und zu welchen Zinskonditionen. Weitere Instrumente für einen von Banken weitgehend unabhängigen Finanzierungsmix, sind Factoring, Finetrading und Leasing. Auch neue Vereinbarungen mit Kunden und Lieferanten können helfen, die Liquidität zu verbessern, ohne einem Bankberater gegenübersitzen zu müssen. Ebenfalls nutzen kann man Sale-and-Lease-Back – Verkauf von Maschinen oder Anlagen bei gleichzeitiger Zurückmietung – und den Pay-per-Use-Kredit, bei dem die Rückzahlung an die Auslastung des erworbenen Wirtschaftsgutes gekoppelt ist. Schließlich kann auch ein neuer Gesellschafter helfen. Der allerdings wird für sein Geld mitbestimmen und an künftigen Gewinnen beteiligt werden wollen. 

Oder aber Unternehmen machen es doch wie Fabrizio Sepe – sie bauen ein vertrauensvolles Verhältnis zu einem klassischen Geldgeber auf, pflegen es über Jahre und überzeugen den Hausbanker, wenn sie frisches Kapital brauchen, mit unternehmerischer Begeisterung.


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Jürgen Hoffmann



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