Creditreform Magazin

BANKENUMFRAGE (TEIL 2): Bilanzen im Blick

Rezession, Inflation und Zinserhöhungen. Das sind die Rahmenbedingungen, unter denen Mittelständler ihre Finanzierungswünsche umsetzen müssen. Obwohl sie mit einer sinkenden Kreditnachfrage rechnen, werden die Banken bei der Vergabe besonders genau hinschauen.

Die Zeit der Minuszinsen und Deflationssorgen ist definitiv vorbei“, ist sich BVR-Chefvolkswirt Andreas Bley sicher. Aber ist das nun gut oder schlecht? Klar ist: Wer sich Geld leihen möchte, muss mehr dafür bezahlen. „Noch im Jahr 2021 lag der jährliche Zinsaufwand für Investitionskredite im Mittelstand mit 26 Milliarden Euro so niedrig wie nie zuvor. Durch die geldpolitische Straffung haben sich Bankkredite aber bereits 2022 verteuert“, sagt KfW-Chefökonomin Fritzi Köhler-Geib. Insgesamt erwarten die vom Creditreform-Magazin befragten Banken und Bankenverbände, dass die Finanzierungskosten für Unternehmen im Jahr 2023 steigen – und nur zum Teil von ihnen an Kunden weitergegeben werden können. Die Folge: Die Nachfrage nach Unternehmenskrediten dürfte 2023 sinken. Konkrete Zahlen dazu liefert der aktuelle European Bank Lending Economic Forecast der Unternehmensberatung EY. Nachdem Unternehmenskredite im Jahr 2022 ein Wachstum von 7,3 Prozent verzeichnen konnten, werden sie 2023 um 2,9 Prozent zurückgehen, so die Prognose. Damit fällt das Minus in Deutschland am größten aus. In der gesamten Eurozone wird im Schnitt ein Minus von 2,7 Prozent erwartet.

Zinsen versus Inflation

Die Nachfrage bleibt auch deshalb aus, weil sich viele Unternehmen risikobewusst verhalten. „Unternehmen legen Liquiditätspolster an und halten ihre Verschuldung im Griff“, sagt Andreas Bley. Das sei eine typische Reaktion auf die gestiegenen Energiepreise und die hohen geopolitischen Unsicherheiten. Betriebswirtschaftlich sinnvoll ist das aber nicht unbedingt. Denn auch hier kommen die Zinsen ins Spiel. Nach mehr als einem Jahrzehnt sinkender Zinsen erhalten Unternehmen inzwischen zwar wieder Geld für Guthaben, das sie bei Banken parken. Doch die Einlagezinsen steigen langsamer als die Inflation. Bei realer statt nominaler Betrachtung sind sie deshalb nach wie vor negativ und die so vorgehaltene Liquidität ist ein Verlustgeschäft.

Insofern ist Pragmatismus gefragt. Der Trend zur Vorsorge dürfte anhalten, ebenso wie die Notwendigkeit, auf neue Rahmenbedingungen mit Investitionen zu reagieren – allen voran solche in eine sichere und nachhaltige Energieversorgung. Gut zwei Drittel der mittelständischen Unternehmen in Deutschland haben laut einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der Beratungsfirma FTI-Andersch zuletzt in grüne Energieversorgung investiert oder planen dies kurzfristig. Wobei sie abwägen müssen, ob sie das aus eigener Kraft stemmen wollen oder doch eine Finanzierung in Anspruch nehmen. Denn die Summen, um die es geht, sind gewaltig. Eine aktuelle Analyse der KfW kommt zu dem Ergebnis, dass Unternehmen im Jahr 2021 bereits rund 55 Milliarden Euro für Klimaschutzinvestitionen aufgebracht haben, rund die Hälfte davon entfällt auf KMU. „Das ist ein Anfang“, sagt Fritzi Köhler-Geib. „Doch um das Ziel der Klimaneutralität in Deutschland bis 2045 zu erreichen, sind jährliche Investitionen von durchschnittlich 120 Milliarden Euro im Unternehmenssektor notwendig.

Solide Basis, genaue Prüfung

Die Kreditwirtschaft ist gewillt, ihren Beitrag zu leisten. Allerdings nicht um jeden Preis. Die strukturelle Transformation der deutschen Wirtschaft werde Gewinner und Verlierer hervorbringen, sagt Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Deutschland. „Es ist davon auszugehen, dass es auch für den Mittelstand eine größere Diversifikation geben wird.“ Zwar bewerten Brzeski und seine Kollegen die wirtschaftliche Basis im Mittelstand als solide, die Eigenkapitalquoten sind gut und die Eigenmittelreserven der Unternehmen sind überwiegend intakt. „Aktuell zeigt sich noch kein überbordender Ausfall von Krediten an“, analysieren die Volkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe. „Dennoch bleibt Wachsamkeit das Gebot der Stunde. In diesen Zeiten ändern sich die Märkte schnell.“ Einen kritischeren Blick in die Bilanzen als bisher behalten sich die Banken also vor. Stefan Schneider, Chefökonom der Deutschen Bank, sagt: „Die Banken dürften verstärkt auf die Robustheit des Geschäftsmodells auch unter dauerhaft erhöhten Energiepreisen und auf die Anfälligkeit für Störungen der Lieferketten achten. Die Anforderungen mit Blick auf Sicherheiten, Covenants oder die Kredithöhe dürften ebenso angehoben werden wie die Zinsmarge.“ Die Commerzbank erwartet, dass im aktuellen Marktszenario auch Produkte wie Leasing, Factoring sowie längerfristig auch Working-Capital-Kredite eine größere Rolle spielen werden. 

Mit Nachhaltigkeit punkten

„Unternehmen aus dem Mittelstand werden sich auch in 2023 gut finanzieren können“, resümiert Michael Holstein, Chefvolkswirt der DZ Bank. „Einen Engpass an Finanzierungsmitteln sehe ich nicht auf mittelständische Unternehmen zukommen.“ Im Vorteil werden laut Dominik Lamminger, Geschäftsführer des Bundesverbands Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB), jedoch unabhängig von der gewählten Art der Finanzierung Unternehmen „mit zukunftsfähigen und nachhaltigen Geschäftsmodellen“ sein. Diese würden die Institute „unterstützen und auf ihrem Weg hin zur Transformation mit passenden Finanzierungsangeboten begleiten.“ Wobei die Kommunikation von Nachhaltigkeitsdaten immer wichtiger wird. „Banken werden bei der Finanzierung, wie von regulatorischer Seite durch die EU-Taxonomie und die CSRD vorgeschrieben, zukünftig verstärkt ESG-Daten von mittelständischen Unternehmen anfordern“, stellt Lamminger klar. Die Forderung an die Regulatorik ist dabei, dass diese Daten von jedem Unternehmen möglichst einfach benannt werden können. „Beispielsweise kann die Nutzung von offiziellen Schätz- und Durchschnittswerten für Branchen und Regionen sowohl Banken als auch Unternehmen entlasten“, sagt der VÖB-Geschäftsführer. Auch die Volkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe sehen in „der nachhaltigen und sozialen Transformation der Wirtschaft nach der Bekämpfung der Inflation die zentrale Herausforderung für 2023“. Allerdings dürfe nicht weiter Bürokratie aufgebaut und damit Unternehmergeist unterminiert werden. Anstelle von Regulierung könnten auch marktwirtschaftliche Anreize wie etwa die CO2-Bepreisung eine stärkere Wirkung entfalten, schlagen sie vor, um die Investitionsbereitschaft in nachhaltige und zukunftssichere Geschäftsmodelle zu steigern – und so das Geschäftsmodell Deutschlands, „die Veredelung von Produkten und Dienstleistungen“, zukunftsfähig weiterzuentwickeln.


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Christian Raschke



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