ESG Creditreform Magazin

ESG: Ein Score für unternehmerische Nachhaltigkeit

Wer sich nicht nachhaltig verhält, verschlechtert seine Chancen im Wettbewerb. Das verinnerlichen immer mehr Unternehmen. Nur: Die wenigsten wissen, wo sie und ihre Marktpartner beim Thema Nachhaltigkeit stehen. Creditreform will mit einem ESG-Score Transparenz schaffen.

Welches Thema ist maßgeblich für den dauerhaften Erhalt Ihres Unternehmens? Als das Marktforschungsunternehmen Forsa Mittelständlern vor einigen Monaten im Auftrag der Commerzbank diese Frage stellte, hätte mancher vielleicht eine auf das Ende der Pandemie gemünzte Antwort erwartet. Vielleicht auch das Bedürfnis, eine gute Nachfolgeregelung zu finden. All das sind wichtige Themen im Mittelstand. Doch noch viel mehr treibt die Mehrzahl der Betriebe derzeit eine andere Sache um: die Sorge, möglichst nachhaltig zu agieren. Etwa 82 Prozent der Befragten sind überzeugt, dass ihr Unternehmen nur dann eine gute Zukunft haben wird, wenn es das Thema Nachhaltigkeit ernsthaft angeht. Dabei geht es keineswegs nur um Fragen des Klima- und Umweltschutzes. Nachhaltigkeit wird immer häufiger als Dreiklang aus Ökologie, Ökonomie und sozialer Verantwortung verstanden. Und keiner kann mehr die Augen davor verschließen.

„Der gesetzliche Druck, nachhaltiger zu agieren, wird in den nächsten Jahren auch für kleine und mittelgroße Unternehmen deutlich zunehmen“, sagt Benjamin Mohr, Chefvolkswirt von Creditreform Rating.

Aktuell gelten lediglich für kapitalmarktorientierte Unternehmen, die im Jahresdurchschnitt mehr als 500 Mitarbeitende zählen und einen Umsatz von mehr als 40 Millionen Euro erwirtschaften oder eine Bilanzsumme von mehr als 20 Millionen Euro aufweisen, strenge Regeln in der Disziplin Nachhaltigkeit. Sie sind seit 2017 durch das „Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten“ verpflichtet, Verantwortung für die Auswirkungen ihres Tuns zu übernehmen und dies auch offenzulegen. Grob gesagt, müssen sie Auskunft zu den sogenannten ESG-Faktoren (Environment, Social und Governance) geben, sich zur Achtung der Menschenrechte bekennen und beschreiben, was sie zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung unternehmen. Sie können diese nichtfinanzielle Erklärung in ihren Lagebericht aufnehmen, sie im Bundesanzeiger oder auf ihrer Internetseite veröffentlichen.

ESG: Anforderungen steigen

Die EU-Kommission hat in jüngster Zeit bereits mehrere Änderungen für diese Form der Nachhaltigkeitsberichterstattung vorgeschlagen. Werden diese Korrekturen angenommen, muss auch Deutschland die Anforderungen der Richtlinie in nationales Recht überführen. Damit könnten ab Jahresbeginn 2024 bereits Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden berichtspflichtig werden. Für Bewegung sorgt auch das zu Jahresbeginn 2023 in Kraft tretende Lieferkettengesetz. Es verpflichtet große Unternehmen, auch ihre unmittelbaren Zulieferer auf Risiken zu durchleuchten. „Damit geraten auch kleine und mittelgroße Betriebe als Teil der Lieferkette in Zugzwang“, prognostiziert Benjamin Mohr.


„Wir wollen Schritt für Schritt einen Marktstandard entwickeln – mit Creditreform als Hub für Nachhaltigkeitsinformationen.“

Benjamin Mohr, Creditreform Rating


Zudem werden mittelständische Unternehmen auch über einen anderen Kanal unmittelbar betroffen sein. „Banken müssen schon im kommenden Jahr über die Nachhaltigkeit ihrer Kreditportfolios berichten, und werden frühzeitig mit ihren Kunden aus dem KMU-Segment über das Thema ESG sprechen und hier entsprechende Informationen einholen wollen“, betont Mohr.

Nachhaltigkeitsinformation: Offener Umgang hilft

Stand jetzt können nur wenige Unternehmen eine belastbare Auskunft darüber geben, wie nachhaltig sie agieren. Noch fehlt es an allgemein gültigen Standards und klaren Kriterien. Vieles ist im Fluss. Creditreform möchte seinen Kunden helfen, ihren Status quo zu ermitteln, Optimierungsmöglichkeiten zu identifizieren und damit auch für mehr Transparenz auf dem Markt zu sorgen. Benjamin Mohr ist überzeugt, dass Mittelständler, die offen und offensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit umgehen, gleich auf mehreren Feldern punkten: „Sie verbessern ihre Wachstumsmöglichkeiten, stärken ihr Image als Arbeitgeber und verschaffen sich bessere Finanzierungsmöglichkeiten.“ Auf Druck der Politik knüpfen Banken und Sparkassen ihre Kreditvergabe zunehmend enger an die Erfüllung der ESG-Kriterien. Wer hier nicht überzeugt, wird irgendwann möglicherweise nur zu schlechteren Konditionen Fremdkapital aufnehmen können.

Ein neuer Score für Nachhaltigkeit

Wie lässt sich mehr Transparenz beim Thema Nachhaltigkeit schaffen? Dazu entwickelt Creditreform einen globalen Score mit europäischem Fokus. In einem ersten Schritt sollen bis zum ersten Quartal 2022 etwa 30 Branchen abgedeckt werden. Dabei reicht der Blick bewusst über Deutschland hinaus. „Das Thema Nachhaltigkeit macht nicht an der Grenze halt. Viele Unternehmen sind durch ihre Lieferketten international verflochten“, erläutert Esra Bartel, der bei Creditreform Rating an der Konstruktion des ESG-Scores mitarbeitet. Bei der Recherche stützen er und seine Kollegen sich neben öffentlich zugänglichen Daten aus internationalen Quellen wie der OECD, der Weltbank oder Eurostat auf Informationen aus Nachhaltigkeitsberichten großer Unternehmen sowie auf selbst recherchierte Fakten aus der Creditreform-Datenbank.

„Mit der Zeit wollen wir den Nachhaltigkeitsstatus in gewohnter Qualität individuell erheben. So lässt sich Schritt für Schritt ein Marktstandard erarbeiten – mit Creditreform als Hub für Nachhaltigkeitsinformationen“, sagt Mohr, der das Projekt federführend begleitet. Die abgefragten Informationen zum Thema ESG, so betont er, werden die Basis für eine neue Kategorie von Wirtschaftsinformationen sein. Wer beim Thema Nachhaltigkeit transparent agiert, verschafft sich einen Wettbewerbsvorteil.“



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