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Prozessfinanzierung: Streiten ohne Risiko

Gerichtsverfahren sind langwierig und teuer. Viele Mittelständler schrecken daher selbst vor aussichtsreichen Klagen zurück. Eine risikofreie Alternative bieten Prozessfinanzierer. Zum Nulltarif ist der Service aber nicht zu haben.

Geniale Erfindungen müssen nicht immer die Welt verändern. Manchmal bieten sie einfach nur Lösungen für kleine, aber lästige Probleme. Auch das kann wertvoll sein. Und ein Grund für erbitterte Streitigkeiten. Diese Erfahrung machte vor einiger Zeit auch ein mittelständisches Unternehmen aus Süddeutschland.

Als Zeitschriften und Magazine ihren Publikationen noch CDs, DVDs oder Blu-Ray-Discs beilegten, um Kunden zum Kauf zu animieren, hatten die Tüftler aus dem Großraum München ein Verfahren zum Einbinden dieser Medien samt passender Papphülle entwickelt. Die sah nicht nur gut aus, sondern ermöglichte auch eine Fixierung der Medien an einer sichereren Stelle als auf dem Titel – nämlich im Heft.

Die Idee kam an. Leider nicht nur bei der eigentlichen Zielgruppe, sondern auch bei einem Wettbewerber, der das patentgeschützte Verfahren nachahmte und damit diverse große Verlage bediente. „Dem Erfinder entstanden dadurch jeweils Schäden im sechsstelligen Bereich“, erinnert sich Andreas Haberl von der Kanzlei Preu Bohlig. Der Münchner Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz hat den Unternehmer seinerzeit vertreten – und sich mehr als fünf Jahre lang für dessen Rechte eingesetzt. 

Zwar endete der Rechtsstreit vor dem Bundesgerichtshof mit einem Erfolg: Der Inhaber des Papphüllen-Patents erhielt einen hohen sechsstelligen Euro-Betrag als Ersatz für seinen Schaden. Der Weg zum Sieg war allerdings steinig. „Ein Verfahren dieser Art verschlingt schnell bis zu 100.000 Euro nur für die Prozesskosten“, sagt Rechtsanwalt Haberl. „Dieses Geld muss der Kläger vorstrecken beziehungsweise Rückstellungen bilden, die die Bilanz belasten.“

Nachfrage bei KMU steigt 

Lange Zeit scheuten sich daher gerade mittelständische Unternehmen, säumige Lieferanten und wortbrüchige Vertragspartner zu verklagen oder sich gegen fehlerhafte Installationen, mangelhafte Beraterleistungen sowie sonstiges Ungemach zur Wehr zu setzen. Doch die Zeiten ändern sich.

Statt klein beizugeben, nutzen immer mehr Unternehmen das Instrument der Prozessfinanzierung, um ihre Rechte durchzusetzen und Risiken zu minimieren. „In den vergangenen Jahren ist die Nachfrage nach Prozessfinanzierungen gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen extrem gestiegen“, sagt Edgar Stieglitz, Syndikusrechtsanwalt bei Foris, einem der Platzhirsche der Branche. Kleine und mittlere Unternehmen würden durchschnittlich fünf bis sechs Mal jährlich mit Problemen konfrontiert, die eine Klage erforderlich machen könnten, heißt es dort. 

Das Konzept der Gesellschaften ist einfach. Wer bereit ist, einen Teil des erstrittenen Erlöses abzugeben, für den übernimmt der Prozessfinanzierer die gesamten Kosten des Gerichts- oder Schiedsverfahrens. Anwaltshonorare, Gerichtskosten und Sachverständige werden direkt vom Finanzpartner bezahlt, eine Vorleistung des Kunden ist nicht erforderlich.

Geht der Fall verloren, übernimmt der Prozessfinanzierer zudem die Kosten der Gegenseite. Auch das Risiko, dass der Gegner im Laufe des Verfahrens Insolvenz anmelden muss, geht auf die Kappe des Finanzierers. 

Um von diesen Vorteilen profitieren zu können, müssen Unternehmen allerdings auch einige Hürden überwinden – und den einen oder anderen Nachteil in Kauf nehmen. Grundsätzlich gilt: Damit der Prozessfinanzierer einen Fall übernimmt, gilt es zunächst zu belegen, dass gute Chancen bestehen, den konkreten Streit vor Gericht zu gewinnen. Wer sich für eine Prozessfinanzierung interessiert, kommt also nicht umhin, trotzdem erst einmal eine Einschätzung vom Anwalt seines Vertrauens einzuholen – auf eigene Kosten.

Sobald dieser Jurist den Fall aufbereitet hat – sei es durch einen Klageentwurf oder eine gutachterliche Stellungnahme –, reicht er das Papier bei der Prozessfinanzierungsgesellschaft ein, die die Erfolgsaussichten des Falles überprüft. „Dieser Schritt kann bereits nach zehn Tagen abgeschlossen sein oder auch bis zu zwei Monate in Anspruch nehmen – je nachdem, wie komplex der Sachverhalt ist“, sagt der Foris-Experte Stieglitz. 

Kostspielige Unterstützung

Wie gut die Erfolgsaussichten sein müssen, damit ein Prozessfinanzierer einsteigt, variiert von Fall zu Fall und von Gesellschaft zu Gesellschaft. „Bei Foris unterbreiten wir den Interessenten meist ab einer Chance von 70 Prozent ein Finanzierungsangebot“, sagt Stieglitz. Wer nach der ersten rechtlichen Bewertung mehr Gegenwind zu erwarten hat, muss zwar in der Regel auf eine Vollfinanzierung verzichten. Das Unternehmen kann aber dennoch auf eine Unterstützung hoffen. „Bei Fällen, in denen nur eine 50/50-Chance auf einen Sieg vor Gericht besteht, übernehmen wir zwar nicht die Kosten für einen Rechtsstreit, wohl aber für eine Mediation, die ebenfalls zu interessengerechten Ergebnissen führen kann“, sagt Stieglitz.

Allerdings entscheiden nicht nur die rechtlichen Aspekte darüber, ob der Prozessfinanzierer den Daumen hebt oder senkt. Auch die wirtschaftliche Lage des Kontrahenten spielt eine entscheidende Rolle. Schließlich nützt ein gewonnener Prozess nur wenig, wenn der Gegner pleite ist und nicht bezahlen kann. Daher lehnen die Gesellschaften selbst aussichtsreiche Verfahren ab, wenn die andere Partei wirtschaftlich angeschlagen oder gar insolvenzgefährdet ist.

Aus wirtschaftlichen Gründen übernehmen die meisten Prozessfinanzierer zudem nur Fälle, die einen Streitwert von mindestens 100.000 Euro haben; bei besonders kostenintensiven Rechtsstreitigkeiten, etwa im Kartellrecht oder bei internationalen Schiedsverfahren, kann die Eintrittsschwelle sogar noch deutlich höher sein.

Mit langem Atem zum Erfolg

Wenn Streitwert, Erfolgschancen und die Bonität des Beklagten stimmen, steht einer gedeihlichen Zusammenarbeit allerdings wenig im Wege – außer der Tatsache, dass die Prozessfinanzierer sich ihre Dienste durchaus üppig vergüten lassen. 

Bei einem Erfolg müssen die siegreichen Unternehmen zwischen 20 und 40 Prozent des Erlöses an ihren Geldgeber abgeben. Wie hoch die konkrete Quote ist, wird individuell verhandelt und hängt neben den Erfolgsaussichten des Falls auch davon ab, wie hoch die zu erwartenden Ausgaben sind. Sehr teure und risikoträchtige Verfahren kosten mehr als vermeintliche Selbstläufer. Allerdings gilt auch: Je höher der Streitwert ist, desto bescheidener wird meist der Prozessfinanzierer. 

„Ob mein Mandant auch auf eigene Kosten bis nach Karlsruhe hätte gehen können, ist zweifelhaft.“
Andreas Haberl, Fachanwalt 

Im Fall des Papphüllen-Erfinders aus Süddeutschland hat sich die Prozessfinanzierung jedenfalls gelohnt. „Während des Verfahrens gab es zwar immer wieder Rückschläge“, erinnert sich Fachanwalt Haberl. Zwischenzeitlich war das Patent sogar für nichtig erklärt worden. Am Ende aber konnten sich sowohl der Unternehmer als auch der Prozessfinanzierer über die erstrittene Zahlung freuen.

„Ob mein Mandant auch auf eigene Kosten bis nach Karlsruhe hätte gehen können, ist zweifelhaft“, sagt Haberl. Aus seiner Sicht ist das Instrument der Prozessfinanzierung daher gerade für kleine und mittelständische Unternehmen zu empfehlen. Es verändert vielleicht nicht die Welt. Oft aber bietet es selbst für große Probleme interessengerechte Lösungen. 


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Catrin Gesellensetzer



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