Creditreform Magazin

Keine Panik

Gefühlt beherrscht die Politik derzeit die Börsen. Doch der Realitätscheck zeigt: Politische Ereignisse haben meist nur kurzfristige Effekte. In dieser neuen Serie, präsentiert das Creditreform-Magazin monatlich Börsenwissen kompakt.

Sei es der Brexit oder ein Handelskonflikt – politische Themen beherrschen die öffentliche Debatte. Treiben sie auch die Börsen an? Oder stimmt die alte Börsenweisheit, dass politische Börsen kurze Beine haben? Wer die Reaktion der Börsen auf politische Ereignisse analysiert, kann in der Regel einen kurzfristigen Effekt feststellen – egal ob es sich um Krisen in Griechenland, Nordkorea, Ukraine oder Syrien handelt. „Trotz dieser Krisen haben die Aktienmärkte nach einer jeweils kurzen Phase der Verunsicherung ihre Aufwärtsbewegung fortgesetzt“, sagt Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management.

Das gilt auch für den Brexit, der die Europäische Union seit drei Jahren in Atem hält. Das unerwartete Ergebnis des Referendums im Juni 2016 führte zwar zu heftigen Kursausschlägen. Der Dax verlor innerhalb kurzer Zeit zehn Prozent, konnte sich aber schnell wieder fangen. Auch der britische Aktienmarkt brach kurzfristig ein, doch legte er dann wieder zu: „Zwar nicht in den 24 Stunden nach dem Volksentscheid, aber in den Wochen und Monaten danach. Der Brexit ist ein gutes Beispiel für ein politisches Ereignis, das einen Langfristinvestor nicht nervös machen muss“, sagt Thomas Lehr, Kapitalmarktstratege beim Kölner Vermögensverwalter Flossbach von Storch.

Günstig einkaufen

Auch die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten hatte zunächst eine Verkaufswelle an den Aktienmärkten ausgelöst. Doch Trumps Steuerreform führte zu höheren Unternehmensgewinnen und zu neuen Allzeithochs der Börsenindizes. „Panikartige Verkäufe emotional aufgeladener Anleger bieten kühl kalkulierenden und langfristig orientierten Investoren die Gelegenheit, günstig einzukaufen“, sagt Fondsma­nager Bert Flossbach. „Eine abgeklärte Analyse möglicher Risiken zeigt, dass die Risiken zumeist über- und die Chancen unterschätzt werden“, fasst Flossbach seine langjährige Beobachtung zusammen. Zudem verkennen Investoren die Fähigkeit von Unternehmen, sich auf veränderte Rahmenbedingungen einzustellen.

Die Qualität der Firmen zählt

So sind auch 63 Prozent der professionellen Investoren überzeugt, dass politische Börsen nach wie vor kurze Beine haben, wie eine Befragung der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management zeigt. Immerhin 29 Prozent kommen zu einer anderen Einschätzung. Aber klar ist auch, dass in Anbetracht vieler politischer Umbrüche der Einfluss der Politik auf die Finanzmärkte zugenommen hat. Davon sind auch 59 Prozent der Investmentprofis überzeugt. Ein kühler Kopf ist dabei gefragt: „Es ist grundsätzlich ratsam, als Investor politische Risiken deutlich tiefer zu hängen, als die Schlagzeilen vermuten lassen“, sagt Galler. Denn langfristig kommt es auf die Qualität der Unternehmen an: „Nach unseren Schätzungen dürften Gewinnwachstum und Dividenden auf Sicht von zehn Jahren rund 80 Prozent der Wertentwicklung definieren“, sagt Galler. Nur wenn die Politik zum Beispiel Steuern für Unternehmen erhöht und damit Gewinnaussichten schmälert, werden die Beine politischer Börsen dann doch deutlich länger. Keine Regel ohne Ausnahme.


NACHGEFRAGT

Haben politische Börsen kurz Beine?

Ja: 63%

Nein: 29 %

Befragt wurden 162 Mitglieder; Quelle: Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management


Quelle: Creditreform Magazin
Text: Dirk Wohleb



Creditreform in Mecklenburg-Vorpommern