Creditreform Magazin

Sanierung mit Spielertrainer

Consultants kommen, analysieren, erstellen ein Konzept und gehen wieder – so das Klischee. Umsetzen müssen es die Unternehmer selbst. Doch was, wenn es um die Existenz geht und die Sicherung allein nicht gelingt? In Krisen kann die Kombination aus Beratung und Interim Management helfen.

Die steigenden Energiekosten haben in den vergangenen Monaten viele Unternehmen in Bedrängnis gebracht. Auch die Bäckereikette mit einem halben Dutzend Filialen und 30 Mitarbeitenden. Die monatlichen Ausgaben für Strom und Gas drückten auf die Liquidität, auf einmal stand alles auf der Kippe, die Hausbank schlug Alarm. In seiner Not wandte sich der Inhaber an einen Firmenberater der Handwerkskammer. Doch allein traute der sich die Rettung nicht zu. Er holte einen Rechtsanwalt und einen in Sanierungen und Restrukturierungen erfahrenen externen Manager auf Zeit dazu.

„Es ist häufig die Hausbank, die als Erste die Schieflage eines Unternehmens registriert und den Inhaber an einen Sanierungsberater verweist“, sagt Tilman Rückert, Partner der Hamburger Kanzlei Lawentus Rechtsanwälte. Weniger häufig agiere zuerst der Steuerberater, noch seltener der Unternehmer selbst. Wird Rückerts Kanzlei als juristischer Unternehmensberater beauftragt, holt auch sie sich über eine Schwestergesellschaft weitere Experten hinzu, etwa sanierungserfahrene Interim Manager, die im Team mitarbeiten. „Wir bleiben aber für den Unternehmer alleiniger Ansprechpartner“, stellt Rückert klar. Das sei unabdingbar, „denn gerade bei krisengeschüttelten Mittelständlern gilt es, Komplexität herauszunehmen“.

„Häufig registriert die Hausbank als Erste die Schieflage eines Unternehmens.“
Tilman Rückert, Partner der Kanzlei Lawentus Rechtsanwälte

Schon bis zum Jahresende 2022 ließen die hohen Energiekosten die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland erstmals seit der Weltfinanzkrise 2009 wieder steigen. Der Anstieg war mit 4,0 Prozent gegenüber dem Vorjahr noch moderat, konstatiert die Creditreform Wirtschaftsforschung in ihrer aktuellen Analyse des Insolvenzgeschehens. Doch sie erwartet, dass die Zahl der Unternehmen, die in wirtschaftliche Schieflage geraten, weiter steigen wird. Gut möglich also, dass Rückerts Dienste 2023 noch stärker nachgefragt werden – genauso wie die seiner Mitstreiter.

Taktgeber gesucht

 „Gerade wenn es darauf ankommt, schnell das Ruder herumzureißen, ist Teamwork hilfreich“, sagt Thomas Retzlaff, Partner bei der Frankfurter Beratungsgesellschaft Ipontix Corporate Finance. Er macht seit vielen Jahren gute Erfahrungen mit der Zusammenarbeit mit Fachleuten anderer Fakultäten bei mittelständischen Betrieben. Bei einem in Schieflage geratenen Solar- und Windanlagenbauer konnte er etwa zusammen mit Interim Managern „schnell Maßnahmen definieren und umsetzen, die die Zahlungsfähigkeit absichern“. Es galt, kurz- und mittelfristig Kosten- und Umsatzpotenziale zu heben, sich auf bestimmte Geschäftsaktivitäten zu fokussieren und die Finanzierung im Hinblick auf Eigen- und Fremdkapital neu aufzustellen: „Spezialisten für Insolvenzrecht haben dabei sichergestellt, dass alle Maßnahmen gesetzeskonform sind, die Möglichkeiten des Insolvenzrechtes vollumfänglich genutzt werden und alle Fristen im Zusammenhang mit einem Konkursantrag beachtet werden. “Sanierungs- und Restrukturierungsprojekte sind komplex und zeitkritisch, sie benötigten Spezialwissen und Erfahrung. Teamarbeit hat dabei Vorteile: „Beauftragt der Unternehmer nach und nach verschiedene Experten, müssen diese immer neu gebrieft werden und sind nicht im Prozess“, sagt Christoph Semer von der Unternehmensberatung Retail Capital Partners im schweizerischen Pfäffikon. „Das bedeutet oft Informationsverlust und Verzögerung in den Abläufen.“ Bei einer simultanen Beauftragung eines Teams seien die internen Steuerungsaufwände geringer und der Turnaround direkter erreichbar. Hinzu kommen mögliche Kosteneinsparungen, es müssen keine Übergabephasen eingeplant werden. Für Interim Manager Viktor Kühne ist erfolgskritisch, dass einer der externen Helfer als Chief Restructuring Officer (CRO) den Hut aufhat. Häufig sei das ein Interim Manager, der mit seiner Erfahrung als operative Führungskraft und Entscheidungsträger in Krisensituationen über „den notwendigen ganzheitlichen Blick verfügt und ein tiefes Verständnis für Organisationen und Unternehmen mitbringt“, so Kühne. Ein CRO sei wie ein Spielertrainer, der nicht nur berät, sondern auch mitwirkt und anstrebt, so schnell wie möglich die wesentlichen Erfolgsfaktoren zu identifizieren und korrigierende Maßnahmen einzuleiten. „In Krisensituation kommt es oft vor allem auf Schnelligkeit gepaart mit Treffsicherheit an“, sagt Kühne. Deshalb sollte ein CRO mit weitreichenden Befugnissen bei der Unternehmensführung sowie für die Neuverhandlung aller Aspekte der Finanzen ausgestattet werden, um eine drohende Insolvenz abzuwenden oder die Umstrukturierung nach einem Insolvenzantrag durchzuführen.

Mehr als nur der Rotstift

Erdwig Holste, Chef der auf Interim-Manager-Vermittlung spezialisierten Personalberatung Management Angels in Hamburg legt Wert auf eine starke Kommunikation: „Wichtig sind exzellente Auffassungsgabe und sehr gutes analytisches Denkvermögen, dazu Verhandlungsstärke und Konfliktfähigkeit, weil Sanierungen und Restrukturierungen immer in betrieblich angespannten Situationen durchgeführt werden.“ Das bestätigt Viktor Kühne: „Der Rotstift allein reicht nicht. Die gemeinsame Aufgabe besteht darin, strukturelle Anpassungen, strategische Neuausrichtungen oder technologische Innovation zu initiieren und zum Erfolg zu führen.“ Genau so wie bei der unter den Energiekosten ächzenden Bäckereikette. Nach fünf Monaten „harter Teamarbeit“, so der Inhaber, war die Rettung der Firma gelungen.


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Jürgen Hoffmann



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