Beamtenmentalität siegt über Unternehmergeist
Trotz der angespannten konjunkturellen Situation sieht es auf den ersten Blick nicht schlecht aus mit den Gründungen in Deutschland. Die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes weisen mehr Gründer aus als im Vorjahr.
Dennoch bleibt der Wille Zur Selbstständigkeit auf niedrigem Niveau. Die Menschen hierzulande bevorzugen die angestellte Tätigkeit – selbstständig zu sein, ist kein Ziel. Eine aktuelle Befragung der KfW zeigt, dass die Neigung zum Unternehmertum sogar noch einmal abgenommen hat.
Die Förderbank titelt: „Wunsch nach Selbstständigkeit verharrt auf niedrigem Niveau; Sicherheitsbedürfnis sticht Gründungsgeist aus.“ Unterschieden wird zwischen der Präferenz zur selbstständigen Tätigkeit und der Gründungsbereitschaft. Bei der Präferenz wird darauf abgestellt, ob man sich vorstellen könnte, eine berufliche Selbstständigkeit auszuüben. Dabei geht es darum abzuwägen, ob bei der Wahl zwischen Selbstständigkeit und Angestelltenverhältnis die Selbstständigkeit bevorzugt würde. Die Gründungsbereitschaft zielt dagegen mit der Frage: „Können Sie sich vorstellen, sich einmal selbstständig zu machen?“, direkter auf eine unternehmerische Tätigkeit und die Motivation dazu ab.
Warum denn gründen?
Vor allem die Präferenz für eine selbstständige Tätigkeit hat noch einmal deutlich abgenommen und liegt nur noch bei 23 Prozent. Befragt wurden Menschen im Alter zwischen 18 und 67 Jahren. Das ganze Ausmaß der Misere wird bei einem historischen Vergleich deutlich. Im Jahr 2000 lag die Bevorzugung selbstständigen Einkommens mit 45 Prozent der Befragten noch fast doppelt so hoch. Nur jeder Zweite gab an, lieber angestellt zu sein. Bei der aktuellen Befragung gaben 72 Prozent an, dass bei ihnen eine selbstständige berufliche Tätigkeit außerhalb aller Wünsche angesiedelt ist. Ablehnung oder Zustimmung für die Selbstständigkeit blieben in der ersten Dekade der 2000er-Jahre recht stabil auf einem aus heutiger Sicht wünschenswerten Level. Noch 2009 konnten sich die Bürger zu 41 Prozent eine Selbstständigkeit als Grundlage ihrer Existenz vorstellen und 56 Prozent sahen darin keine Perspektive. Dann gingen die Zahlen kontinuierlich zurück – und dies unabhängig von der Krise durch die Corona-Pandemie.
Immerhin ist die Gründungsbereitschaft höher als die bloße Präferenz. So gaben 30 Prozent an, dass sie sich durchaus vorstellen könnten, ein Unternehmen zu gründen. Vor zehn Jahren war die Gründungsbereitschaft etwas geringer – sie lag 2014 bei 27 Prozent. Diese positive Veränderung hat sich allerdings nicht in mehr Gründungen niedergeschlagen. Das zeigt die längerfristige Entwicklung in den Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Bis 2008 waren noch jährlich über 150.000 Betriebe gegründet worden. Dann sanken die Zahlen, auch wenn es immerhin gelang, das Gründungsniveau bei den Betrieben mit größerer wirtschaftlicher Bedeutung jederzeit über den Löschungen zu halten; ein negativer Gründungssaldo blieb Deutschlands Volkswirtschaft also erspart. Am aktuellen Rand zeigt sich allerdings – parallel zur Motivation zu einer Gründung – doch eine kleine Zunahme: „Die Neugründungen von Gewerben stiegen im Jahr 2023 mit rund 593.200 um 6,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Gesamtzahl der Gewerbeanmeldungen nahm im Jahr 2023 um 6,2 Prozent gegenüber dem Jahr 2022 auf rund 715.000 zu.“ Anzumerken ist hierbei, dass diese Zahl nicht nur Neugründungen, sondern auch Betriebsübernahmen, Umwandlungen und Zuzüge aus anderen Regionen beinhaltet.
Viele Hürden auf dem Weg
Warum erscheint so vielen Menschen eine selbstständige Existenz so wenig erstrebenswert? Sicher spielt der solide Arbeitsmarkt eine große Rolle – Fachkräfte sind aufgrund des demografischen Wandels stark nachgefragt. Hinzu kommt eine größere Möglichkeit, sich etwa über das Homeoffice ein selbstständigeres Arbeiten zu ermöglichen – und dies vor dem Hintergrund eines sicheren Einkommens. Die Arbeit zu Hause hat sich auch nach dem Lockdown etabliert. Während bei fast einem Drittel der großen Unternehmen Mitarbeiter im Homeoffice tätig sind, sind es bei kleinen Unternehmen nur rund 20 Prozent. Und auch wenn manche Konzerne wie SAP oder Volkswagen mittlerweile die Option zum Homeoffice einschränken, wird sich an dieser neuen Arbeitsweise grundsätzlich wohl wenig ändern.
Die Umfrage der KfW zeigt aber auch direkt die Hürden, die verhindern, dass tatsächlich Gründungspläne umgesetzt oder auf einer Vorebene noch bei der Präferenz Gründungspläne geschmiedet werden. Mit 73 Prozent steht an erster Stelle das zu große finanzielle Risiko, das von der Selbstständigkeit abhält. Direkt mit dem Einkommen sind aber auch Antworten zu sehen, wenn 64 Prozent zu geringe Einkommens- und schließlich auch eine zu geringe soziale Sicherheit ins Feld führen. Eine weitere Hürde wurde aufgeführt, die sich durchaus beseitigen ließe. Wenn an zweiter Stelle aller negativen Nennungen mit 67 Prozent die zu großen bürokratischen Belastungen durch die Selbstständigkeit genannt wurden, dann ist hier einmal mehr die Politik gefragt, Gründungen und Selbstständigkeit gleichermaßen zu vereinfachen. Unter dem Stichwort „Bürokratieabbau“ hat man auf deutscher und europäischer Ebene zwar bereits einiges umgesetzt, ist aber immer noch weit davon entfernt, den Anforderungen der Unternehmen und Gründer gerecht zu werden.
Frauen vorsichtiger
Es ist viel die Rede davon, Frauen verstärkt in Führungspositionen zu etablieren. Dazu gehört nicht nur eine Anstellung bis auf Vorstandsebene, sondern auch ein forciertes Gründungsgeschehen durch Frauen. Tatsächlich aber zeigt sich nun, dass Frauen die Gründungshemmnisse, bis auf das fehlende soziale Ansehen, deutlich häufiger nannten. Bei den Problemen um die Selbstständigkeit spielt aber nicht nur Gender eine Rolle, sondern auch, wenig verwunderlich, das Lebensalter. So sind jüngere Menschen unter 30 Jahren optimistischer, was bei der Nennung der Hindernisse zu einer geringeren Anzahl führte. Nur beim fehlenden Kapital als Hinderungsgrund kam es gegenüber anderen Altersgruppen zu einer verstärkten Angabe. Bei der älteren Gruppe der 50- bis 64-Jährigen waren es vor allem die stärkere Arbeitsbelastung, die große Eigenverantwortung und die Angst vor dem Scheitern, die sich negativ auf eine Umsetzung der Gründung auswirkten. Gründer sind die Zukunft einer Volkswirtschaft, sie schaffen Innovationen und Arbeitsplätze. Wenn es an ihnen fehlt, fehlt es an Zukunft.
Quellen: KfW, Statistisches Bundesamt