Blick nach Brüssel: Sanierungspflicht in Sicht

Ob EU-Parlament, Europäische Kommission oder Rat der EU: Europapolitik beeinflusst maßgeblich die deutsche Gesetzgebung – und damit auch den Handlungsrahmen für die Wirtschaft. Was wird aktuell in Brüssel und Straßburg diskutiert? Jüngst ging es um die Energieeffizienz von Nichtwohngebäuden:

Rund 40 Prozent des Energieverbrauchs in der EU entfallen auf Gebäude. Heizen, Kühlen, Beleuchten, Belüften – all das trägt zu rund 36 Prozent aller Treibhausgasemissionen der Europäischen Union bei. Wer die Energiewende wirklich will, muss deshalb nicht nur erneuerbare Energien fördern, sondern auch den Einsatz von Energie deutlich effizienter gestalten. Und zwar dort, wo der Verbrauch am größten ist. Noch liegen die Sanierungsraten im Gebäudebestand allerdings unter dem Niveau, das nötig wäre, um die vereinbarten Klimaziele zu erreichen. In Deutschland wird gerade mal ein Prozent aller Immobilien pro Jahr energetisch saniert. Notwendig wären laut einer Berechnung des Umweltbundesamts aber zwei bis vier Prozent pro Jahr.  

Um das Tempo zu beschleunigen, ist am 8. Mai eine Neufassung der EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Energy Performance of Buildings Directive, EPBD) in Kraft getreten. Sie muss bis Ende Mai 2026 von den Mitgliedstaaten in nationales Recht überführt werden. Doch schon jetzt ist es eine politische Weichenstellung, die bei Zehntausenden Unternehmen in Deutschland zu einem enormen Investitionsbedarf führen wird.  

Denn die Richtlinie führt erstmals verbindliche Mindest-Energieeffizienzstandards für Nichtwohngebäude wie Büros, Produktionsstätten oder Lagerhallen ein. Rund 2,7 Millionen solcher Gebäude gibt es derzeit in Deutschland. Und sie alle müssen bereits bis 2027 mindestens die sogenannte Energieeffizienzklasse F nach der neuen EU-Skala erreichen, bis 2030 sogar die Klasse E. In Zahlen: Der Energieverbrauch pro Quadratmeter und Jahr muss bei Klasse F zwischen 160 und 200 Kilowattstunden liegen, bei Klasse E zwischen 130 und 160 Kilowattstunden.  

Fachleute sind sich einig: De facto bedeutet das für zahllose Unternehmen, die über ältere Immobilien verfügen, die Pflicht zu erheblichen Investitionen in die energetische Sanierung. „Wir müssen Gebäude mit einem Minimum an Emissionen heizen und kühlen“, argumentiert EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra. „Dazu haben wir die Technologien, aber wir müssen auch bessere Business Cases für Sanierungen schaffen.“ Möglich wird das wohl nur durch eine entsprechende Förderung – sowie mögliche Sanktionen für Immobilieneigentümer, die die Effizienzziele nicht rechtzeitig erreichen.  

Neue Anforderungen für Parkplätze 

Darüber hinaus macht die EBPD neue Vorgaben zum Ausbau von Elektroauto-Ladeinfrastruktur auf öffentlichen Parkplätzen, die nun in das deutsche Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz einfließen werden. Konkret heißt das: Bei Renovierungen von Gebäuden mit mindestens 10 Stellplätzen muss jeder Fünfte für die Verkabelung vorbereitet sowie mindestens ein Ladepunkt errichtet werden. Für Bestandsgebäude mit mehr als 20 Stellplätzen sind ein Ladepunkt für jeden zehnten Parkplatz oder Leerrohre für die Hälfte der übrigen Stellplätze gefordert. Wer diese Kriterien bis zum 1. Januar 2027 nicht erfüllt, muss mit bis zu 10.000 Euro Bußgeld rechnen.  

Was das für den Einzelhandel bedeuten würde, hat das EHI Retail Institute ausgerechnet. Es schätzt, dass allein im Lebensmitteleinzelhandel mehr als 50.000 Märkte ihre Parkplätze entsprechend aufrüsten müssten. Branchenvertreter kritisieren die strengen Ausbauvorgaben deshalb deutlich – zumal der Anteil der Händler, die ihren Kunden schon Lademöglichkeiten bieten, laut EHI mit 75 Prozent bereits sehr groß ist. Der Handelsverband Deutschland wendet zudem ein, dass sich die Ausbaupflichten an der reinen Anzahl der Ladepunkte orientieren, nicht aber am Bedarf des jeweiligen Standorts. Um möglichst kurze Ladezeiten zu ermöglichen, sei etwa der Anteil von Schnellladesäulen im Handel überdurchschnittlich hoch – was durch die neuen Gesetze allerdings bisher nicht berücksichtigt werde.  


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Christian Raschke
Bildnachweis: Rob Doby / Getty Images