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Arbeitszeit: Länger arbeiten macht glücklich(er)
Bei allen Problemen, welche die aktuelle konjunkturelle Lage überschatten, scheint der Arbeitsmarkt doch robust zu bleiben. Die Zahlen vom März 2024 zeigen ein weiteres Sinken der Arbeitslosenquote um 0,1 Prozentpunkte auf 6,0 Prozent.
Allerdings hat sich die Quote gegenüber dem Vorjahresmonat um 0,3 Prozentpunkte erhöht. Die Bundesagentur für Arbeit spricht insgesamt von 3,6 Millionen Unterbeschäftigten, wenn sie neben der Arbeitslosigkeit auch etwa die kurzfristige Arbeitsunfähigkeit mitzählt. Ein Blick auf die Entwicklung der Erwerbstätigkeit in Deutschland zeigt allerdings, dass die positiven Veränderungen, die nach dem Einbruch durch die Corona-Pandemie noch 2022 das Bild mit Zuwächsen von fast 2 Prozent im Monat bestimmten, sich immer mehr abgeflacht haben. Aber immerhin sind fast 46 Millionen Personen mit Wohnsitz in Deutschland erwerbstätig. Eine hohe Arbeitslosigkeit, die noch die Bilder der vergangenen Krisen bestimmte, droht aktuell nicht. Schwächen zeigen sich dennoch.
Neueinstellungen zurückgestellt
Gerade der Mittelstand, Arbeitskräfte-Reservoir par excellence, zeigt in der Frühjahrsbefragung 2024 von Creditreform ein Bild, das von Zurückhaltung geprägt ist. Wenn 18,5 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen angaben, ihre Belegschaft verkleinert zu haben und gleichzeitig nur 18,0 Prozent der Befragten den Personalbestand erhöhten, dann liegt die Beschäftigungsentwicklung im Mittelstand unter der Nulllinie (minus 0,5 Punkte). Eine solche Entwicklung hatte es zuletzt 2004 gegeben. Besonders ausgeprägt ist diese flaue Entwicklung im Verarbeitenden Gewerbe und im Bausektor. So zeigt das Verarbeitende Gewerbe ein Minus beim Saldo aus Einstellung und Entlassung von 9,1 Prozentpunkten. Und auch für das nächste halbe Jahr sind vom Mittelstand kaum Impulse zu erwarten. Für die zukünftige Personalentwicklung ergibt sich per Saldo aus Aufstockung und Verkleinerung zwar noch ein positiver Wert von 12,6 Punkten, allerdings ist dies der schlechteste Ausblick der letzten zehn Jahre. Auch bei den Zukunftsaussichten zeigen sich das Verarbeitende Gewerbe und der Bau mit großer Verhaltenheit.
Wollen ja, können nein
Bei den Zukunftsaussichten für die Personalplanung im Mittelstand ist allerdings anzuführen, dass es nicht nur Pessimismus im Hinblick auf die weitere wirtschaftliche Entwicklung sein könnte, sondern fast ein wenig Resignation angesichts des dürftigen Arbeitskräfteangebots. Die Betriebe wollen durchaus weitere Arbeitsplätze schaffen, doch angesichts des Fachkräftemangels, der demografischen Entwicklung und der bürokratischen Vorgaben für einen Arbeitsplatz sieht man sich in der Defensive. Dabei ist der Fachkräftemangel mit Händen zu greifen – es werden mittlerweile schon Firmenfahrzeuge zum Plakatieren von Stellenangeboten genutzt. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat eine Schätzung abgegeben, wie stark der Fachkräftemangel sich auch finanziell für die deutsche Wirtschaft bemerkbar macht. Rund 570.000 Fachkräfte fehlten 2023 – und das bei einer Rekordzahl von Beschäftigten. „Eigentlich könnten die Unternehmen mehr produzieren, doch dafür fehlen Mitarbeiter. 2024 gehen der deutschen Wirtschaft dadurch Produktionskapazitäten im Wert von 49 Mrd. Euro verloren.“ Angesichts dieser Lücke wird noch einmal das grundlegende Problem der Demografie, der Überalterung der Bevölkerung, thematisiert. Weil die geburtenstarken Jahrgänge jetzt mehr und mehr in Rente gehen, werden die Kosten des Fachkräftemangels laut IW noch steigen. Das IW schätzt bereits für 2027 die Kosten auf 74 Mrd. Euro.
Länger arbeiten – mehr als Geld
Nun ist die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, ein späterer Renteneintritt, politisch ein heißes Eisen. Das zeigt nicht zuletzt die anhaltende Diskussion zum Rentenbeginn mit 67 Jahren mit einer Vielzahl von Ausnahmen. In diese Debatte bringt sich das Institut der deutschen Wirtschaft – das in seinen Analysen durchaus arbeitgebernah aufgestellt ist – mit der These ein: „Wer im Alter arbeitet, ist zufriedener.“ Dabei stellt das Institut auf das repräsentative Sozio-oekonomische Panel ab und fragt nach der Lebenszufriedenheit. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass trotz der jüngsten Krisen die Lebenszufriedenheit der Deutschen zwischen 2005 und 2021 gestiegen ist. Der Wert von 6,8 Punkten stieg auf 7,4 auf der Skala der Zufriedenheit. Überraschend ist dabei, dass gerade Menschen zwischen 66 und 70 Jahren mit 7,6 Punkten überdurchschnittlich zufrieden sind, wenn sie noch weiterarbeiten. Die Gründe dafür liegen sicher auch im Erhalt des sozialen Netzwerkes durch das Arbeitsleben. Eine weitere aktuelle Studie hat gezeigt, dass gerade Jugendliche, aber eben auch alte Menschen, besonders von Einsamkeit betroffen sind. Im Gegensatz zu diesen sogenannten „Silver Workern“ stehen die Erwerbslosen 61- bis 65-Jährigen. Bei ihnen ist die Lebenszufriedenheit am geringsten und sie hat sich auch in den letzten 10 Jahren kaum verbessert. Sicher kann der Fachkräftemangel nicht alleine dadurch ausgeglichen werden, dass qualifizierte Mitarbeiter länger arbeiten. Ein Ansatz, um die drohenden Verluste durch den Fachkräftemangel ein wenig zu kompensieren, ist die Verlängerung der Lebensarbeitszeit aber wohl schon.
Hilfsjobs können nicht besetzt werden
Es fehlen aber nicht nur Fachkräfte, Mangel besteht auch bei den Hilfsjobs. Im Mai waren bei der Bundesagentur für Arbeit 700.000 offene Stellen gemeldet – ein Fünftel davon waren einfache Hilfsarbeiten. Demgegenüber stehen viele kommunale Betriebe, die, etwa in der Abfallwirtschaft, dringenden Bedarf anmelden. In den öffentlichen Unternehmen, im kommunalen Sektor von Energie, Abfall oder Wasser sind 40 Prozent der Beschäftigten älter als 50 Jahre. Hier warten sichere und tariflich bezahlte Arbeiten auch für wenig Ausgebildete. Ob Fachkräfte oder Hilfsarbeiten, ob ein Job-Turbo für Einwanderer oder die Verlängerung der Lebensarbeitszeit – alle Möglichkeiten sind zu nutzen, will Deutschlands Wirtschaft ihre Spitzenposition halten.
Quellen: Bundesagentur für Arbeit, Institut der deutschen Wirtschaft, Verband kommunaler Unternehmen