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Die Krise vor der Krise

Im Dezember eines jeden Jahres veröffentlicht Creditreform die Zahl der voraussichtlichen Unternehmensinsolvenzen für das betreffende Jahr. Für 2019 titelte Creditreform „Rückgang der Insolvenzen geht zu Ende", denn im Zeichen konjunktureller Abschwächungen war eine 25-jährige Erfolgsgeschichte mit alljährlich niedrigeren Insolvenzzahlen zu Ende.

Im Zuge der weltwirtschaftlichen Abschwächung war in Deutschland als Exportnation insbesondere die Industrie betroffen. Im Verarbeitenden Gewerbe kam es zu einem Plus von 6,6 Prozent bei den Unternehmenszusammenbrüchen. Auch mittlere Unternehmen als Zulieferer wurden zunehmend in Mitleidenschaft gezogen und spürten die Auswirkungen etwa der Auto- oder Chemie-Industrie. Dagegen konnten sich Branchen, die weniger von der Binnenkonjunktur abhängen, wie etwa das Baugewerbe, im Hinblick auf die Insolvenzentwicklung weiter positiv entfalten (minus 2,8 Prozent).

Schwach auch ohne Corona

War dies bereits ein Menetekel? Die Prognose von Creditreform für das Jahr 2020 lautete: ein Zugang der Unternehmensinsolvenzen auf knapp 20.000 Fälle für das anbrechende Jahr. Mit dieser Annahme standen die Insolvenz-Forscher von Creditreform nicht alleine. Ebenfalls im Herbst 2019 hatte die Turnaround Management Association in Deutschland (TMA) ihr jährliches Barometer veröffentlicht, das auch mit einem Zugang der Insolvenzen in den kommenden sechs Monaten von rund 5 Prozent rechnete. Die TMA ist ein Zusammenschluss von Sanierern und Restrukturierungs-Experten. Ihr Vorsitzender, Michael Baur, ließ verlauten: „Die Ergebnisse unserer Befragung bestätigen einen sich seit Monaten abzeichnenden negativen Trend in der Performance von Unternehmen, insbesondere in produzierenden Bereichen.“ Eine große Rolle spielt nach Ansicht der TMA für die aktuelle Krise im Herbst des Vorjahres auch die Umsetzung neuer Technologien – das heißt die zunehmende Digitalisierung von Produktionsprozessen und -abläufen.

Manche Zinsen sind zu hoch

Die beiden großen amerikanischen Ratingagenturen, „Standard & Poor's“ und „Moody‘s“ sahen ebenfalls die konjunkturellen Schwächen als Auslöser von Insolvenzen für 2020. Im Bereich der Unternehmen, die sich hochzinsig verschuldet haben, fürchtet Moody‘s eine Zunahme von 3 Prozent bei den Insolvenzen. Lange hatten die Ausfallraten niedriger gelegen – nun waren sie wieder auf dem Durchschnitt angelangt. Auch Standard and Poor's fürchtet einen Anstieg der Ausfälle bei hochzinsverschuldeten Unternehmen. Ein wenig optimistischer geht man von einem Plus von gut 2 Prozent bei den Ausfällen aus.

Nicht alle hatten zugelegt

Wie die Experten aus Rating und Sanierung, so ging Creditreform bei seinen zurückhaltenden Prognosen für 2020 – vor der Corona-Krise –  nicht nur von den zu erwartenden konjunkturellen Abschwächungen aus, sondern auch von den Schwächen in der Finanzierung der Betriebe. Richtig ist, dass die Unternehmen, vor allem der Mittelstand, in den guten Jahren der ablaufenden Dekade ihr Eigenkapital verbessert und ihre Liquidität verstärkt hatten. Dennoch zeigten sich in vielen Branchen schwache Unternehmen, die nur aufgrund der günstigen Finanzierungssituation im Zeichen niedriger Zinsen am Markt bestehen bleiben können. Das Who's Who der Branchen liest sich jetzt im Zeichen der aktuellen Krise wie eine Voraussage, die sich erfüllt hat.

Eine schwache Bonität wiesen zwölf Prozent der Gastronomiebetriebe, elf Prozent des Beherbergungsgewerbes, acht Prozent der Sport- und Freizeitindustrie sieben Prozent im Automobilbau sowie schließlich fünf Prozent der persönlichen Dienstleistungen auf. Bilanzanalysen zeigten bereits, dass in den genannten Branchen der Aufbau von Eigenkapital nicht gelungen war. Die Pandemie macht die Schwächen in der Finanzierung deutlich. Jetzt werden Rettungspakete geschnürt und Soforthilfen ausgezahlt, um den Weg zum Insolvenzgericht zu verhindern. Zu befürchten ist, dass die Auslese, die im Zeichen konjunktureller Abschwächungen auf dem Weg war, damit konterkariert wird.



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