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Gestärkt in den Abschwung

Bei der Frage nach den Ursachen für die Insolvenzentwicklung in Europa 2019 ist der Blick nicht nur auf die Konjunktur, sondern auch auf die Finanzierungssituation der Unternehmen zu richten.

In den meisten Ländern der Europäischen Union besteht die Pflicht zur Veröffentlichung der Bilanzen. Auch wenn die Publikation der aktuellen Situation oft um mehr als zwei Jahre hinterherhinkt, weisen die Kennziffern aus der Rechnungslegung den Weg zu einer Interpretation des Insolvenzaufkommens.

Tatsächlich zeigen die wichtigsten Werte aus den Bilanzen, dass sich die Unternehmen im Zuge der positiven Konjunktur auch beim Thema „Finanzierung“ verstärken konnten. Veröffentlichungen von rund drei Millionen Unternehmen aus 2018 standen für die Analyse zur Verfügung.

Mehr Gewinn war möglich

Die Betriebe konnten bei den Gewinnen zulegen. Die Gewinnmarge (Ertrag in Prozent des Umsatzes) nahm über alle Unternehmen hinweg zu. So schafften 17,0 Prozent der Betriebe eine ausgesprochen hohe Gewinnspanne von mehr als 25 Prozent des Umsatzes. Während 17,1 Prozent immer noch eine Gewinnmarge zwischen 10 und 25 Prozent erreichten, lag eine rote Zahl bei gut einem Fünftel der Unternehmen (22,1 Prozent) vor. Wie deutlich sich die Unternehmen im Hinblick auf ihre Ertragssituation verbessert haben, zeigt insbesondere die langfristige Entwicklung seit 2012: Der Anteil der Unternehmen mit negativen Ertragszahlen liegt inzwischen um 5,8 Prozent niedriger als damals, während der Anteil der Betriebe mit einem Gewinn von über 25 Prozent des Umsatzes um drei Prozentpunkte gestiegen ist. Unter Branchengesichtspunkten zeigt der Bau parallel zur Entwicklung seiner Insolvenzlage, wie er sich solider aufstellt: Mittlerweile erreicht fast jedes fünfte Bauunternehmen einen Ertrag von 10 bis 25 Prozent bezogen auf den Umsatz. Weiter fallend ist dagegen die Zahl der Verlust-Träger im Baubereich: 19,7 Prozent der Betriebe schreiben rote Zahlen.

Keine Eigenkapitallücke

Für die Frage, wie widerstandsfähig die Betriebe im Hinblick auf das Bewältigen der aktuellen Krise sein werden, kann ein Blick auf das Eigenkapital helfen. Die Verbesserungen beim Eigenkapital der westeuropäischen Firmen stimmt zuversichtlich. Immerhin haben 45,6 Prozent der Betriebe eine EK-Quote, die über 50 Prozent der Bilanzsumme beträgt. In den letzten sieben Jahren kam es bei den Unternehmen mit einer starken Eigenkapitaldeckung noch zu einem deutlichen Plus: Ihr Anteil legte um 5,5 Prozent zu. Auch bei den Unternehmen, die nur eine niedrige EK-Quote von unter 10 Prozent halten, zeigt sich über die Jahre hinweg eine Verbesserung. Waren 2012 noch 25 Prozent der Unternehmen mit einer nur dürftigen EK-Quote von unter 10 Prozent ausgestattet, so sind es 2019 fast drei Prozentpunkte weniger (22,4 Prozent).

Entscheidender Faktor für die Insolvenz ist die Liquiditätslage: Der Insolvenzantrag wird gestellt, weil das Unternehmen zahlungsunfähig ist. Wie sich die Zahlungsfähigkeit, die Liquidität, entwickelt hat, zeigt nicht zuletzt das Zahlungsverhalten der Betriebe. Auch hier ist eine Verbesserung festzustellen. Die mittlere Forderungslaufzeit westeuropäischer Unternehmen hat sich um mehr als einen Tag von 53,5 auf 52,2 Tage verringert; die Verbesserung von 2018 zu 2017 ist fast durchgängig. Nur Deutschland und Skandinavien weisen beim Median der Forderungslaufzeit eine leichte Verschlechterung innerhalb der beiden Jahre auf. Tatsächlich haben in jüngster Zeit die Insolvenzen in Deutschland und eben auch in Skandinavien vereinzelt Zugänge erfahren.

Kredite werden nicht knapp

Wie wichtig eine solide Eigenkapitalausstattung in der Krise ist, zeigen die letzten Zahlen der Europäischen Zentralbank. Angetrieben von einer starken Kreditnachfrage war es im März zu einem deutlichen Wachstum der Geldmenge gekommen. Grund: Europas Banken hatten im März 2020 den Unternehmen 5,4 Prozent mehr Kredite zur Verfügung gestellt als im März des Vorjahres. Gegenüber einem Wachstum von drei Prozent im Februar 2020 war diese Beschleunigung beim Kreditwachstum die stärkste bisher. Man mag diese Ausweitung der Kreditvergabe als positives Signal bewerten und darin erkennen, dass die Banken weiterhin in der Lage und willens sind, die Unternehmen mit Geld zu versorgen. Sicher spielen die Kreditgarantie, die durch die Staaten ausgesprochen worden sind sowie die Liquidität, die die EZB bereitstellt, eine wichtige Rolle dabei. Vor dem Hintergrund starker Fremdverschuldung noch in Zeiten guter Konjunktur und der Problematik notleidender Kredite, die manche Bank in den Büchern mitschleppt (ausgeprägt etwa in Italien), birgt die großzügige Kreditvergabe – auch wenn sie die Insolvenzen zunächst verschiebt – große Risiken für die Zukunft.



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