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Projektentwickler: Pleiten, Pech und Zinsen

Die Krise am Bau ist offenkundig: Dem Bau gehen die Aufträge aus und von Januar bis April 2023 erlitt das Bauhauptgewerbe einen Rückgang der Aufträge um minus 8,9 Prozent.

Es handelt sich um den 13. Monat mit einem Minus in Folge. Dabei trifft der wirtschaftliche Rückgang alle Sparten. Die Halbzeitbilanz 2023 im Wohnungsbau zeichnet ein düsteres Bild, aber auch der gewerbliche Bau ist betroffen – auch deshalb, weil die Unternehmen aktuell weniger investieren. Noch in der Krise, in der Epidemie und zu Beginn des Ukraine-Kriegs war die Bauwirtschaft weitgehend vital und widerstandsfähig, sozusagen die Konjunkturlokomotive in Deutschland. Die anhaltende Inflation und die steigenden Zinsen waren nun aber für die Bauwirtschaft insgesamt und auch für die damit verbundenen Dienstleistungsunternehmen und Finanzierer zuviel. Die steigenden Preise haben Rohstoffe und Halbwaren für das Gewerbe verteuert, noch schwerwiegender aber wirkte sich aus, dass die Zinserhöhungen zur Bekämpfung der Inflation die Kredite zur Finanzierung des Eigenheims oder gewerblicher Projekte drastisch verteuert haben. Die Zeit der Höchstpreise am Immobilienmarkt sind vorbei, Baubetriebe geraten in Existenznot.

Gerch in der Eigenverwaltung

Ende August meldete die Wirtschaftskanzlei Görg, dass vier Dachgesellschaften von Gerch, einem bundesweit tätigen Projektentwickler, beim Amtsgericht Düsseldorf einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gestellt haben. Dem weiter agierenden Vorstand werden zwei Sanierungsexperten zur Seite gestellt, die die Sanierungsoptionen prüfen. Gerch ist nicht der erste Insolvenzfall eines Projektentwicklers, aber sicherlich einer der größten. Das Unternehmen wurde 2016 gegründet und ist aktuell mit Projekten mit einem Volumen von 4 Mrd. Euro unterwegs. Gewaltige Zahlen: Die Rede ist von neun Projekten mit einer Bruttogrundfläche von fast 800.000 Quadratmetern verteilt in ganz Deutschland. Da wird ein ehemaliges Bahnareal in Augsburg umgewidmet, das Laurenz Carré in der Nähe des Kölner Doms neu gestaltet oder ein Grundstück in der Nähe des alten Polizeipräsidiums in Frankfurt baulich verändert. Die Sanierer aus der Kanzlei Görg teilen mit: „Gerch ist durch externe Faktoren in Schieflage geraten. Der Ukrainekrieg, begleitet von Inflation, sowie der nahezu zusammengebrochene Transaktionsmarkt haben die gesamte Bau- und Projektentwicklerbranche in Schwierigkeiten gebracht. Hinzu kommen die erheblich gestiegenen Zinsen und die Zurückhaltung auf dem Finanzierungsmarkt, welche die Projektentwickler vor zusätzliche Herausforderungen stellen.“

Wer soll die nötigen Wohnungen bauen?

Dies ist eine paradoxe Situation am Bau. Auf der einen Seite gibt es eine drückende Wohnungsnot, die in den zentralen Lagen für hohe Mieten sorgt, auf der anderen Seite einen Rückgang bei den Baugenehmigungen. Das ifo Institut nennt in einer aktuellen Lageeinschätzung von Ende August die Zahlen, die das ganze Ausmaß der Misere deutlich machen. 40 Prozent der befragten Bauunternehmen im Wohnungsbau sprechen von Auftragsmangel und fehlender Auslastung. Vor einem Jahr noch sah das ganz anders aus, als nur 11 Prozent solche Klagen führten. Welche Schwierigkeiten sich für die Betriebe aufgebaut haben, zeigen auch die Stornierungen. Im Durchschnitt der letzten Jahre betrug der Anteil aufgegebener Bauprojekte rund 3 Prozent, aktuell sind es fast 20 Prozent. Das Statistische Bundesamt ergänzt dies mit Zahlen zum ersten Halbjahr 2023. Mehr als ein Viertel Baugenehmigungen für Wohnungen wurden weniger erteilt. Der Verband der Bauindustrie spricht beim Wohnungsbau von einem „ungemein düsteren Bild“. Mit Recht, denn bei den Einfamilienhäusern gingen die Baugenehmigungen um ein Drittel zurück, bei den Zweifamilienhäusern sogar um mehr als die Hälfte. Auch die Mehrfamilienhäuser, die wegen der Vielzahl von Wohnungen so wichtig für die Hilfe bei den Mieten wären, sind um 25 Prozent rückläufig.

Angesichts des Mangels an neuen Aufträgen bleibt den Betrieben nur der Auftragsbestand, der nun auch angesichts des Fachkräftemangels langsam abgearbeitet wird. Laut ifo Institut klagt jeder zehnte Baubetrieb über Probleme bei der Finanzierung. Nachdem sich die Bauwirtschaft 2020 in der Krise noch gut halten konnte und nur wenige Insolvenzen zählte, legte die Zahl der Pleiten im zweiten Halbjahr 2021 deutlich zu. Gegenüber den Vorjahresquartalen betragen die Steigerungen bei den Insolvenzanträgen im Bau rund 15 Prozent – mit steigender Tendenz. Ein Teufelskreis: Bauobjekte verlieren bei der Sicherung der Finanzierung an Wert, die Zinsen werden höher angesetzt und die Zahl notleidender Kredite nimmt zu. Wenig verwunderlich, dass die Banken bei der Finanzierung von Immobilien zurückhaltend sind. Gerch hat geübte Sanierungsexperten an der Seite und gute Projekte akquiriert – bleibt zu hoffen, dass die Sanierung in der Eigenverwaltung gelingt.

Quellen: ifo Institut, Kanzlei Görg, Statistisches Bundesamt, Verband Bauindustrie



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