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Creditreform Magazin

» Als Familienbetrieb macht man ein Werk nicht einfach dicht «

Markus Thannhuber, Technikvorstand und Gesellschafter des Werkzeugherstellers Einhell Germany AG, über den Einfluss der Börse, den Abschied vom Produktionsstandort Deutschland und die Fertigungsarbeit im Anzug.

Herr Thannhuber, mit Schlips und Anzug stellen Sie bei Youtube die neueste Einhell-Gerätegeneration Power X-Change vor. Testen Sie auch schon mal im Blaumann?

Markus Thannhuber: Ich besitze zwar einen Blaumann. Aber ich habe die Vorstellung, dass das, was ich anhabe, dem Gegenüber ein bisschen Respekt entgegenbringen soll. Deshalb habe ich fast immer einen Anzug an – meine Mitarbeiter haben den gleichen Respekt verdient wie die Kunden. Ich bin an unseren Produktionsstätten, etwa in Asien, regelmäßig an den Bändern und arbeite mit den Leuten. Zwei, drei Anzüge sind eigentlich immer in der Reinigung.

Sie haben im Jahr 2007 die Nachfolge Ihres Vaters, Josef Thannhuber, angetreten. Was hat sich seitdem geändert?

Thannhuber: Mein Vater war vor zehn Minuten noch hier. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis. Aber es wäre nie möglich, dass wir zwei zusammen in einem Unternehmen arbeiten. Ich habe gesagt: Ich komme gerne in die Firma, aber nur, wenn du gehst. Und so war es dann auch – in der gleichen Woche.

Ihr Vater hat mit seiner Expansion nach Asien ab Ende der 1960er-Jahre eine Pionierleistung für die deutsche Wirtschaft erbracht. Hätten Sie nicht von seinem Wissen länger profitieren können?

Thannhuber: Wir sind ganz unterschiedliche Typen. Er hat Deutschland als Jugendlicher verlassen und ist ins Ausland gegangen – in die Schweiz, nach Spanien und Portugal. Das war seine Form der Innovation. Er ist auch der Gründer, bei dem immer alle Fäden zusammengelaufen sind. Bei ihm und bei meiner Mutter. So sind Entscheidungen schnell gefallen. Das hat 30 Jahre lang perfekt gepasst. Aber irgendwann skaliert die Organisation nicht mehr und, was schlank war, wird zum Flaschenhals. Ich komme aus einer anderen Ecke, der Organisationstheorie. Heute haben wir eine moderne Organisation mit klarer Struktur und eindeutigen Prozessen. Die Vorstandsressorts sind klar abgegrenzt.

Einhell ist an der Börse notiert. Welche Rolle spielt das für das Management?

Thannhuber: Einhell ist eine AG mit stimmberechtigten Stammaktien und stimmrechtlosen Vorzugsaktien. Wir halten als Familie alle Stammaktien und damit auch das Ruder in der Hand. Die Vorzugsaktionäre erhalten zwar eine höhere Dividende, können aber nicht eingreifen.

Das ganze Börsengeschehen muss Sie also nicht weiter jucken?

Thannhuber: Es juckt uns sehr, was die regulatorischen Vorschriften angeht. Aber ich schaue nicht jeden Tag in der Früh den Börsenkurs an. Schon immer mal wieder, aber es führt nicht zu erhöhtem Blutdruck.

Zuletzt lief es gut. Der Einhell-Kurs hat sich binnen eines Jahres nahezu verdoppelt. Was ist der Grund?

Thannhuber: Wir sind Old Economy, da gibt es immer wenig Fantasie für Anleger. Ich glaube, dass Werte wie Einhell über lange Zeit nicht so bewertet wurden, wie es vielleicht hätte sein sollen – wenn man etwa die Eigenkapitalquote und andere Schlüsselindikatoren betrachtet. Das ist auch okay, es ist ja ein Nebenwert. Zuletzt ist bei uns die Fantasie wohl durch die sehr positiven Zahlen gestiegen. Und ich glaube auch, dass in Deutschland Kapital da ist, das nach Anlageformen sucht.

Sie haben die Produktion von Landau wegverlagert, wo Sie seit 2004 gar nicht mehr fertigen. Gab es keinen Widerstand?

Thannhuber: Natürlich war es nicht ganz angenehm für die Mitarbeiter, die gewohnt waren, in einer Fertigungsumgebung tätig zu sein. Aber die Zahl der Beschäftigten, die wir tatsächlich abgebaut haben, ist verschwindend gering. Das macht man als Familienbetrieb nicht, dass man 400 Leute hat und einfach dichtmacht. Wir haben das langsam runtergefahren. Es ging nicht ganz ohne Emotionen und natürlich hätte der ein oder andere gerne seine Produktionsleistung weiter erbracht. Aber wir haben so viel Wachstum. Die Leute aus der Produktion sitzen heute im Service oder in der Reparatur.

Das prestigeträchtige Siegel „Made in Germany“ dürfen Einhell-Produkte nicht mehr tragen. Schmerzt das im Wettbewerb?

Thannhuber: Nein. Selbst bei einer Firma wie Bosch ist das heute nicht anders. Die fertigen in Ungarn und auch in China. Die Produktion für den Konsumartikelmarkt ist insgesamt nicht mehr „Made in Germany“. Wir hatten zwar früher eine deutsche Fertigung, aber wir sind mit den Kosten nicht mehr klargekommen.

Sie treten mit dem Versprechen an, Werkzeuge ­ 20 bis 25 Prozent billiger als die Konkurrenz zu verkaufen – bei gleicher Qualität. Wie geht das?

Thannhuber: Das liegt im Wesentlichen am viel engeren Fokus. Einhell beschäftigt sich ausschließlich mit Werkzeugen für Heimwerker und für den Garten. Viele Wettbewerber haben breitere Sortimente, das führt oft zu großen Konzernstrukturen. Wir konnten es uns nie leisten, eine so große Forschungs- und Vorentwicklungsabteilung aufzubauen, wie es sie bei Konkurrenten gibt. Umgekehrt leisten wir uns keine Strukturen, die nicht zum Wert beitragen. Es ist eine Frage der Organisation: Wenn man ein Unternehmen nur vom Projekt- auf ein Prozessdenken umstellt, ergibt sich schon ein effektiver Kostenvorteil von mehr als 30 bis 40 Prozent.

Wie gelingt das ganz praktisch?

Thannhuber: Wir wollen die beste Organisation der Branche für alle operativen Bereiche. Dazu haben wir alle Projekte in eine Prozess­organisation überführt, die beispielsweise die Entwicklung über Kontinente hinweg steuert. Es werden alle wichtigen Informationen eingespielt – bis hin zu den Rezensionen unserer Produkte. Wir wollen so mögliche Fehler erkennen und darauf reagieren. Das arbeiten wir allerdings nicht im Einzelfall auf, sondern nutzen den Big-Data-Pool – den das Internet bereitstellt. Indem wir alles herausfiltern, was unsere Produkte betrifft, machen wir Smart Data daraus. Im Service und in der Technik läuft das genauso.

Wo sind Ihre wichtigsten Quellen?

Thannhuber: Am meisten interessieren uns echte Endkunden-Rezensionen. Das sind diejenigen, die mit unseren Geräten arbeiten. Wir wollen wissen, wie sie mit ihnen umgehen und welche Probleme sie haben. Es gibt Amazon-Rezensionen, Anrufe im Callcenter oder Beratungen. Und natürlich schauen wir uns etwa bei Youtube Blogger und deren Tests an. Diese Daten erfassen wir systematisch und arbeiten mit ihnen. Wir nutzen Crawler, die jeden Tag Hunderte Rezensionen analysieren. Dann gibt es ein eigenes Team, das die Rezensionen umsetzt.

Und wie wissen die einzelnen Mitarbeiter, was für sie relevant ist?

Thannhuber: In unseren IT-Systemen haben wir technische Modelle unserer Produkte gespeichert. Und denen werden die Erkenntnisse zugeordnet – auch aus der Prüftechnik oder aus dem Labor. Wenn wir einen ­neuen Artikel entwickeln, dann ist das also ein generischer Prozess. Die bekannten Fehler anderer Produktionskomponenten wirken darauf ein.

Haben Sie die IT selbst entwickelt?

Thannhuber: Wir haben fast 30 Leute, die ERP-Systeme programmieren. Sie beschäftigen sich dabei intensiv mit Organisation und mit Institutionalisierung. Man kann einen Prozess definieren, in ein Handbuch schreiben und hoffen, dass die Mitarbeiter so ticken und das, was im Handbuch steht, auch leben. Aber das wird in der Praxis nicht eintreten. Wir haben diesen Pfad verlassen und bedienen uns anderer Methoden, um Prozesse so ablaufen zu lassen, wie wir sie definiert haben. Man kann Prozesse in Schritte unterteilen und den einzelnen Mitarbeitern Arbeitspakete zuspielen – Standing Operating Procedures heißt das im Fachjargon. So nehme ich Mitarbeiter im Prozessablauf an die Hand.

Haben Sie dabei Vorbilder?

Thannhuber: Wenn Sie heute einen BMW oder Mercedes kaufen, dann genießen Sie ein Auto auf dem allerletzten Stand der Technik. Es ist das Ergebnis eines Produktionsprozesses, der in allem passt – und das gilt auch für die Entwicklung. Leider herrscht in vielen Organisationen noch die reine Projektorganisation vor. Das ist etwas für faule Manager. Sie suchen immer jemanden, der für ein bestimmtes Projekt verantwortlich ist, einen Teilprojektverantwortlichen oder einen für noch kleinere Teile. Es entstehen immer individuelle Lösungen, die aber bestenfalls so gut sind wie die Individuen, die daran arbeiten. Projekte haben ihre eigenen Stärken: Wenn sie zum Mars fliegen wollen, dann brauchen Sie keine Prozessorganisation. Aber das ist nicht unser Problem: Wir wollen nur eine neue Bohrmaschine bauen.

Wo sehen Sie Ihre Aufgabe?

Thannhuber: Immer bei den menschlichen Themen: Wir müssen Menschen in die Organisation integrieren. Nur wenn das gelingt, funktionieren auch die Prozesse. Das erfordert Zuhören, Ernstnehmen und auch ein Stück Demut. Der zweite Teil ist, über Organisation zu sprechen und sie zu entwickeln. Denn gute Produkte und Innovationen sind das Ergebnis einer guten Organisation.

Sie produzieren vor allem in Asien und entwickeln dort neue Produkte. Welche Rolle spielt da noch der deutsche Hauptsitz?

Thannhuber: Ein Ingenieur, der in Deutschland sitzt, hat auch den deutschen Maschinenpark vor sich. Aber in Osteuropa oder Südostasien sieht die Umsetzung ganz anders aus. Die Teilezeichnung und Umsetzung in Werkzeuge findet deshalb in Asien statt. Wir wollen alle Arbeitsprozesse von der Idee bis hin zum Bedienen von Marktsegmenten auch marktnah machen. Wir sprechen vor Ort mit dem Händler und definieren, welche Produkte er spannend findet. Das Industrial Design, die Formensprache, auch die Leistungsparameter – das wird alles in Deutschland gemacht.

Wie stark schauen Sie darauf, was die Konkurrenz macht. Nehmen Sie auch schon mal ein Werkzeug von Bosch in die Hand?

Thannhuber: Natürlich, und zwar regelmäßig. Ob Bosch oder andere – ich probiere viele Geräte aus.

Ihre Meinung als Tester?

Thannhuber: Ich muss immer mal wieder den Hut ziehen: Die haben hervorragende Ingenieure und können ihren Job. Ich habe selbst meine Diplomarbeit bei Bosch geschrieben. Da habe ich höchsten Respekt. Aber wir sind auch gut unterwegs und müssen uns nicht verstecken.


» Wenn man von Projekt- auf Prozessdenken umstellt, ergibt sich ein effektiver Kostenvorteil von mehr als 30 bis 40 Prozent. «


Die dritte Generation

Zum Unternehmer wird Josef Thannhuber 1964, als sein Onkel Hans Einhell ihn bittet, sein Installationsgeschäft in Landau an der Isar zu übernehmen. Der damals 25-jährige Elektromaschinenbauer willigt ein – und formt aus dem kleinen Betrieb einen der weltweit führenden Anbieter von Lösungen für Heim- und Handwerker in Haus und Garten. Als Pionier der Internationalisierung baut Thannhuber ab Ende der 1960er-Jahre Produktionsstandorte in Spanien sowie in Asien auf. Markus Thannhuber (45) trat als Vorstand Technik im Jahr 2007 die Nachfolge seines Vaters an – sein Schwerpunkt ist die Organisation des Unternehmens. Nach Stationen in München, Stuttgart und Hongkong lebt der studierte Physiker heute mit seiner Frau und drei Kindern in Landau an der Isar. Etwa 3.500 Artikel umfasst das Einhell-Sortiment – darunter Werkzeuge, Gartengeräte und Autozubehör. Einhell beschäftigt heute 1.400 Mitarbeiter, der Umsatz betrug zuletzt 487 Millionen Euro.



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