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Inflation und kein Ende
An einem Plus von knapp acht Prozent ist die Inflationsrate im Frühsommer entlanggeschrammt. Nun lässt der Präsident der Deutschen Bundesbank vernehmen, „eine Inflationsrate von zehn Prozent ist im Herbst möglich“.
Nun lässt der Präsident der Deutschen Bundesbank vernehmen, „eine Inflationsrate von zehn Prozent ist im Herbst möglich“. Wenige Zahlen aus der Wirtschaft – ausgenommen vielleicht nur die Arbeitslosenquote – erregen so viel Aufmerksamkeit wie die Inflationsraten. Und das mit gutem Grund, betreffen sie doch alle Bürger und alle Unternehmen gleichermaßen. Ersparnisse verlieren an Wert, Löhne hinken hinterher und die Betriebe wissen nicht mehr, wie sie ihren Einkauf finanzieren sollen sowie ihre hohen Preise am Markt durchsetzen können.
Die Prognose, die Bank-Präsident Joachim Nagel mit einem zweistelligen Wert für den Herbst nennt, jagt vielen einen Schrecken ein. Es ist viel davon die Rede, dass in Deutschland traditionell eine große Angst vor der Geldentwertung herrscht. In den letzten 100 Jahren war es zweimal zu einem Währungsschnitt gekommen und eine Nation von Sparern war enteignet worden. Trotz aller Wertewandel bleibt das Sparen hierzulande eine Tugend.
Die Gründe für den rasanten Anstieg sind schnell genannt. Zunächst einmal kommt es Ende August zum Auslaufen von Sondereffekten. Der Tankrabatt und das 9-Euro-Ticket werden verschwinden. Allein dies wird wohl zusammen für ein weiteres Ansteigen der aktuellen Inflationsrate um einen Prozentpunkt sorgen. Wer in dieser Situation darauf setzt, dass sich gewisse preisdämpfende Effekte aus der Verringerung der Umsatzsteuer beim Bezug der Energie ergeben, muss angesichts der Querelen und Diskussionen im Hinblick auf geforderte Umlagen, Gaspreise und Stützungsmaßnahmen für Unternehmen und Bürger schon sehr optimistisch sein. Es bleibt dabei: Zweistellige Inflationsraten waren in Deutschland zum letzten Mal im vierten Quartal 1951 registriert worden.
Eine Jahrhundert-Inflation?
Bei der Frage, wie es wohl weitergeht mit der Inflation, kommt einem das ironische Wort von Karl Valentin in den Sinn: „Prognosen sind besonders schwierig, wenn es um die Zukunft geht.“ So wurden die inflationären Tendenzen, die sich bereits im Winter abzeichneten, von der Politik, besonderes aber von der EZB, lange geleugnet. Immerzu war die Rede von Ausnahmen bei der Teuerung und es wurde davor gewarnt, für die Zukunft zu schwarz zu malen. Jetzt spricht man entschuldigend davon, dass niemand den Krieg in der Ukraine und das sich daran anschließende Embargo von beiden Seiten voraussehen konnte. Das ist für den russischen Überfall richtig. Nicht richtig ist es für das Eingreifen Westeuropas mit einer Vielzahl von Sanktionen. Es war abzusehen, dass Russland darauf mit einem Aussetzen seiner Rohstoff-Lieferungen antworten würde. Dabei ist die Zukunft der deutschen und europäischen Zentralbank immer noch recht optimistisch geschildert. Bundesbank-Präsident Nagel räumt zwar ein, dass die „Lieferengpässe und geopolitischen Spannungen“ weiter fortwirken werden, geht aber von einer Inflation im Jahr 2023 von 4,5 Prozent aus. Allerdings verweist er darauf, dass diese Prognose durch die weiteren Forderungen bei den Preisen für Erdgas und Elektrizität doch weiter steigen dürften und es schließlich „im nächsten Jahr im Schnitt eine 6 vor dem Komma“ sein könnte.
Klar ist auch, dass die Energiepreise der zentrale Treiber der Inflation sind. Energiekosten machen im Durchschnitt zehn Prozent der Ausgaben eines Haushalts aus. Das macht ihre Rolle so prekär – auch deshalb, weil mit der Liberalisierung des Energiemarktes und des Bezugs durch die privaten Haushalte freie Wahl geschaffen wurde. Es ist für Deutsche geradezu zu einem Sport geworden, etwa über Vergleichsportale im Internet den günstigsten Anbieter zu suchen, um auf diese Weise Geld zu sparen. Und jetzt muss man hilflos zusehen, wie der Gaspreis sich mehr als verdoppelt und die Strompreise ebenfalls eine Rallye beginnen. Dabei ist es nicht nur die Heizkostenabrechnung alleine, die das tägliche Leben immer teurer macht. Energie spielt eine zentrale Rolle bei den Herstellungskosten. Mit dem Steigen der Preise für Gas und Öl heben auch die Elektrizitätspreise ab. Dabei dauert es eine gewisse Zeit, bis die hohen Einkaufspreise auf die Verkaufspreise durchschlagen. Wer sich fragt, warum denn Lebensmittel oder persönliche Dienstleistungen teurer werden – die Bundesbank nennt selbst mit dem Friseur, der höhere Kosten für den Stromverbrauch seines Föhns hat, ein Beispiel –, der vergisst, wie die Herstellung und Kühlung von Lebensmitteln, ihr Transport sowie ihre Beleuchtung in der Auslage beim Händler schließlich von der Teuerung im Energiebereich berührt werden.
Deutschland in der EZB
Im Gespräch betont die Bundesbank, dass Christine Lagarde einen „guten Job“ mache. Joachim Nagel sagt, er freue sich über das deutliche Zinssignal von 50 Punkten. Ihm geht es immer darum, zu zeigen, dass die EZB und die in ihr vertretenen Länder, einschließlich Deutschland, an einem Strang ziehen. Es ginge nicht darum, einzelne Volkswirtschaften zu retten. Man werde mit den Regierungen natürlich über ihren Haushalt zu sprechen haben. Nun hat die EZB gleichzeitig mit dem Aussetzen des Ankaufs von Anleihen und dem Verlassen der Nullzinspolitik das TPI (Transmission Protection Instrument) aufgesetzt – ein Instrument, um Länder und ihre Finanzinstitutionen bei weiteren Zinserhöhungen nicht in die Zahlungsunfähigkeit zu treiben. Anders als die amerikanische Fed, die mit Rasanz ihr Zinsniveau erhöht hat, muss die EZB einen Spagat nicht nur zwischen Inflation und drohender Rezession zeigen, sondern auch den Euroraum mit seinem Nord-Süd-Gefälle zusammenhalten (wofür sie eigentlich kein Mandat hat). Auch wenn es von offizieller Seite nicht zugegeben wird, ist die Position Deutschlands im Kreis der Länder in der EZB eine schwierige. Nicht nur Deutschlands Bürger, sondern auch seine Bundesbank sind konservativ, wenn es um die Bewahrung der Geldwertstabilität geht.
Quelle: Deutsche Bundesbank, Tagespresse